Julia Extra 360
Charlotte bestimmt nichts mehr mit ihm zu tun haben.
„Ich kann es nicht glauben. Bedeutet das, er hat seine …?“ Charlotte bremste sich. Es stand ihr nicht zu, sich in das Privatleben ihres Chefs einzumischen. Nico verriet wenig. Dass er adoptiert war, hatte er ihr erzählt, aber gerade nur so viel, dass sie ihm dabei helfen konnte, seine Herkunft zu erforschen. Sie musste von Zander weg und mit Nico reden.
„Sie wussten es, als Sie mit mir telefoniert haben.“ Ihr vorwurfsvoller Ton war vielleicht lächerlich, weil Zander ihr nichts schuldete, doch irgendwie fühlte sich Charlotte hintergangen. „Ich sollte zurück ins Hotel …“ Sie hatte so viele Fragen, und sie durfte sie sich nicht von ihm beantworten lassen.
„Bleiben Sie.“
„Ich muss noch arbeiten …“
„Sicherlich haben Sie Fragen?“
Die Antworten mussten von Nico kommen.
Zander merkte, wo ihre Loyalität lag, und von diesem Moment an war der Kampf im Gange. Weil Zander seinem Bruder alles wegnehmen wollte, und Charlotte schien ein guter Ansatzpunkt zu sein.
„Genießen wir einfach den Abend“, schlug Zander vor. „Ein Strandbummel kann ja wohl nichts schaden?“
Wäre es unhöflich, abzulehnen? Was, wenn Nico sie am Montag kritisierte, weil sie seinen Bruder vor den Kopf gestoßen hatte?
Zögernd nickte sie. Wachsam ging sie neben Zander her, fest entschlossen, nichts zu sagen, was Nico bloßstellen würde.
„Gefällt Ihnen das Hotel?“, fragte Zander.
Und Charlotte erinnerte sich daran, dass es ihm gehörte, dass ihm der Strand gehörte, den sie entlangliefen. Da wurde ihr Zanders ganze Macht bewusst.
„Es ist wunderschön.“
Zander brach schließlich das gespannte Schweigen, er war es, der von seinem Bruder anfing. „Der Mann war schwer zu finden. Er ist derjenige mit einem anderen Namen.“
Dazu sagte Charlotte nichts.
„Mögen Sie Ihren Job?“, schlug Zander einen neuen Kurs ein.
„Natürlich.“
Ihre Selbstbeherrschung konnte er nur bewundern. Zweifellos hatte sie tausend Fragen, aber sie hielt sie zurück. Er wollte, dass sie über seinen Bruder sprach, deshalb versuchte Zander, den Weg dafür zu ebnen.
„Ich liebe es, hier zu sein.“ Fast blieben ihm die Worte im Hals stecken, weil er den Ort abgrundtief hasste. Als Charlotte ihn ansah, setzte er schnell ein Lächeln auf. „Immer habe ich davon geträumt, zurückzukehren …“ Er betrachtete die Luxushäuser, die er in den Felshang hatte hineinbauen lassen, und sie folgte seinem Blick.
„Wo stand Ihr Elternhaus?“, fragte sie unwillkürlich. Sie überlegte, ob es das war, in dem Nico jetzt wohnte, aber Zander zeigte zur Mitte des Neubaugebiets.
„Wo das Hotel ist.“ Ihr Stirnrunzeln entging ihm nicht. „Es war nicht mehr zu retten.“
Er erzählte ihr lieber nicht, dass es das erste Haus gewesen war, das abgerissen worden war. Dass er mit einem Glas Champagner in seinem Büro in Australien im Stillen gejubelt hatte, als der Bulldozer in Marsch gesetzt wurde.
„Mögen Sie den Strand?“ Zander bemerkte, dass sich Charlotte bei dieser weniger heiklen Frage ein bisschen entspannte.
„Ja“, gab sie zu. „Nicht schwimmen oder sonnenbaden …“
Zum ersten Mal, seit ihr klar geworden war, mit wem sie hier sprach, lächelte sie ungekünstelt, und er beobachtete, wie die blauen Augen aufleuchteten. Davon wollte er mehr sehen.
„Nur laufen, nachdenken, mich erinnern …“
An was? fragte er sich. Vielleicht an romantische Spaziergänge mit Nico, bevor er geheiratet hatte.
„Wir haben früher immer die Ferien am Strand verbracht“, sagte sie. „Als ich jünger war.“
Zander hörte das gedankenverlorene Zögern in ihrer Stimme und ließ Charlotte einfach in Ruhe. Er hatte so gut gelernt, mit Frauen umzugehen, sie aus der Reserve zu locken, ihr Vertrauen zu gewinnen. Keiner konnte das besser als er. Seine Technik war so hervorragend, dass es jeder Frau den Atem verschlug, wenn sich Zander zeigte, wie er wirklich war. Wenn der Mann, der sie angeblich gern hatte, alles gleichgültig abtat, was sie flüchtig miteinander geteilt hatten.
Jetzt war er in Höchstform. Eine kleine Frage hier, eine verständnisvolle Bemerkung da, und während sie scheinbar ziellos weiterschlenderten, sprach Charlotte unbefangener mit ihm. Eine Möwe stürzte sich auf ein Stück Papier, und Charlotte lachte. Ein zweiter Vogel kam dazu, dann noch einer. Mit wütendem Kreischen protestierten sie dagegen, dass kein Futter zu finden war.
„Die Ärmsten.“
Zander
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