Julia Extra 360
erklären, dass zu reisen so gut wie unmöglich war. Und wenn er darauf bestand? Sie brauchte den Job, das Geld, die flexible Arbeitszeit zu Hause. Vielleicht musste sie eine gelegentliche Reise einplanen.
Charlotte hatte eine Liste mit Pflegeheimen aufgestellt und sich mehrere angesehen. Jedes Mal von Schuldgefühlen geplagt, weil ihre Mutter sie bei ihrer Diagnose angefleht hatte, sie niemals in ein Heim zu bringen.
Jetzt rief Charlotte eins nach dem anderen an und fragte, ob ein Kurzzeitpflegeplatz frei war. Ihre Besorgnis nahm zu, während sie sich durch die Liste arbeitete und immer dieselbe Antwort erhielt. Eine viel frühere Anmeldung sei erforderlich.
Schließlich fand Charlotte ein Heim. In der Nacht war ein Bewohner gestorben, deshalb hatten sie ein Zimmer frei. Es fühlte sich falsch an, erleichtert zu sein. Falsch, die Sachen ihrer Mutter einzupacken. Falsch, ihre verstörte Mutter zu dem Ort zu fahren, vor dem sie sich am meisten fürchtete.
„Nur für ein paar Tage, Mum.“
„Bitte …“, schluchzte Amanda. „Bitte verlass mich nicht. Bitte.“
„Ich muss arbeiten.“ Charlotte weinte auch. „Ich verspreche dir, dass es nur für kurze Zeit ist.“
Alles fühlte sich nur falsch an. Im Kosmetikstudio zu sitzen für ein Waxing und Nagelpflege, sich Strähnchen in das dichte blonde Haar machen zu lassen. An ihre schluchzende Mutter im Pflegeheim zu denken, während sie sich in die glamouröse Flugbegleiterin zurückverwandelte, die Nico damals eingestellt hatte.
Trotzdem erschauerte sie vor Begeisterung, als sie die Garderobe von früher herausholte und ihren Koffer packte. Und Charlotte hatte dieses angenehme Kribbeln im Bauch, als sie die vertraute Strecke raus nach Heathrow fuhr und die Jets landen und starten sah.
Dann saß sie auf ihrem Platz, das Flugzeug hob ab und stieg hoch in den Himmel. Und erst da wurde es ihr bewusst: Sie würde Zander kennenlernen.
2. KAPITEL
Athen war genauso grau wie London gewesen, aber auf dem Flug nach Xanos sah es so aus, als wäre die Zeit auf Herbst zurückgedreht worden. Sommerlich warm war es wohl nicht, doch der Himmel leuchtete so blau wie das Meer, und die Insel erstreckte sich in der Ferne wie ein bunter Teppich in Grün- und Brauntönen.
An der Küste stand das fantastische Hotel, wunderschöne Häuser mit riesengroßen Swimmingpools waren in den Felshang gebaut, dahinter ragten die Berge auf. Charlotte konnte es kaum erwarten, mit den Zehen in den feinen weißen Sand einzusinken und Xanos in sich aufzunehmen.
Das Wasserflugzeug steuerte nicht den kleinen Landungssteg an, den Nico unbedingt besitzen wollte, sondern den neu gebauten, wo eine Rampe das Aussteigen viel leichter machte. Und weil jeder, der im Ravels wohnte, jemand Wichtiges sein musste, wurde nicht von Charlotte erwartet, dass sie den kurzen Weg vom Landungssteg zum Hotel zu Fuß ging, obwohl sie es gern getan hätte. Man fuhr sie in einer Luxuslimousine bis vor den Eingang, begleitete sie zum Einchecken an die Rezeption und teilte ihr mit, ihr Gepäck werde bereits auf ihr Zimmer gebracht.
Normalerweise ließ sich Charlotte von einer vornehmen Umgebung nicht einschüchtern. Während ihrer Arbeit bei der Fluggesellschaft und danach für Nico hatte sie oft genug in Fünfsternehotels gewohnt. Aber dieses fand sie ziemlich überwältigend. Einige der Gäste, die durch die Halle gingen, erkannte sie aus den Zeitschriften wieder, die sie mit Begeisterung las. Neben der eindrucksvollen Treppe waren, getrennt durch einen Springbrunnen, die Fahrstühle. Auf Schritt und Tritt verschwenderische Blumengestecke, überall Reichtum im Überfluss.
Problemlos checkte Charlotte ein. Sie hatte eine Nachricht von Paulo, Nicos Anwalt in Griechenland. Er bat sie, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Als die Empfangsdame ihr eine Tischreservierung im Restaurant anbot, lehnte Charlotte ab und zog sich auf ihr Zimmer zurück.
Einen Moment wippte sie auf dem großen Bett auf und ab und schwelgte, wenn auch schuldbewusst, in dem Gedanken, in dieser Nacht ruhig schlafen zu können, ohne ständig darauf gefasst zu sein, dass ihre Mutter aufwachte. Hier ein bisschen Zeit für sich selbst zu haben.
Trotzdem, sie war hier, um zu arbeiten. Charlotte rief Nico an, bekam seine Voicemail und teilte ihm mit, sie sei angekommen. Dann rief sie Paulo an.
„Ich kann Nico nicht erwischen“, sagte der Anwalt. „Ich möchte vor diesem Treffen am Montag noch mit ihm sprechen.“
„Ich habe ihm gerade eine
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