Julia Extra 360
lachte sarkastisch. „Ich kann meinen Gästen vieles garantieren, aber das Tüpfelchen auf dem i wäre ein möwenfreier Strand.“
„Ich liebe sie.“ Und dann, weil es sicherer war, als über Nico zu reden, erzählte Charlotte von den längst vergangenen Spaziergängen mit ihrer Mutter, wie sie die Möwen gefüttert hatten, wie es immer ein schöner Abschluss des Urlaubstags gewesen war.
Sie liefen noch fünf oder zehn Minuten weiter, am Strandcafé vorbei, bis sie zu einer einsamen kleinen felsigen Bucht kamen. Charlotte musste sich mehr darauf konzentrieren, wo sie hintrat, als darauf, was sie sagte.
„Wie lange arbeiten Sie schon für Nico?“
„Fast zwei Jahre jetzt.“
„Und davor?“ Zander schätzte sie auf Mitte zwanzig, sehr jung, um die persönliche Assistentin eines Mannes wie Nico Eliades zu sein. Allerdings war Zander ziemlich sicher, dass sein Bruder sie nicht allein wegen ihres beruflichen Könnens eingestellt hatte. „Haben Sie Wirtschaft studiert?“
„Nein. Ich war Flugbegleiterin. So habe ich ihn kennengelernt.“
Darüber ärgerte sich Zander, ließ es sich jedoch nicht anmerken.
„Auf einem Flug?“
Charlotte nickte. „In dem Hotel, in dem ich untergebracht war, habe ich ihn wiedererkannt. Nico hatte Schwierigkeiten, sich verständlich zu machen. Wir waren in Japan, und, ungewöhnlich für dieses Hotel, der Angestellte sprach sehr schlecht Englisch. Deshalb habe ich mich eingemischt.“
„Sie sprechen Japanisch?“
„Ein bisschen. Und Französisch. Oh, und ein wenig Griechisch. Sprachen zu lernen ist mein Hobby. Im Moment lerne ich gerade … Jedenfalls hatte Nico Probleme, seinen Flug umzubuchen …“
Und Zander musste sich energisch ermahnen, dass er etwas über Nico herausfinden wollte, denn stattdessen wollte er mehr über Charlotte erfahren. Über ihr Leben vor Nico, über ihre Begeisterung für Sprachen. Dass er sie unterbrach, war kein Trick.
„Welche lernen Sie jetzt?“
„Russisch. Also, nur im Internet, und ich sehe mir die russischen Nachrichten an. Wo war ich?“
Verwirrt blinzelte Zander, weil er Mühe hatte, sich zu erinnern, wo er war.
„Ach ja. Ich habe Nico geholfen, die Sache mit seinem Flug und seiner nächsten Hotelreservierung zu regeln. Er hat gesagt, er brauche eine Teilzeitkraft.“ Charlotte zuckte die Schultern. „Natürlich konnte ich sein Angebot nicht annehmen. Die Hälfte meines Lebens spielte sich damals in zehntausend Meter Höhe ab. Aber wir sind in Kontakt geblieben, und gelegentlich habe ich für ihn einen Flug oder ein Hotelzimmer gebucht. Als seine persönliche Assistentin kündigte, hatte ich kurz vorher bei der Airline aufgehört …“
Nichts in ihrer Stimme verriet, wie sehr sie die Entscheidung bedauert hatte. Vielleicht eine Sekunde lang hielt Charlotte inne, bevor sie fortfuhr.
„Daraus hat es sich irgendwie entwickelt.“
Hier entwickelte sich auch etwas. Wie, das wusste sie nicht, weil sie sich ja vorsah und fest entschlossen war, geschäftsmäßig mit diesem Mann umzugehen. Trotzdem, mit ihm zusammen zu sein faszinierte sie und ließ ihr Herz rasen.
„Ich sollte zurück. Ich muss telefonieren. Mit meiner Mutter“, fügte Charlotte hinzu. Das passte zwar nicht ganz zu ihrem Partygirlimage, doch er sollte nicht denken, dass sie zurück ins Ravels rannte, um Nico zu informieren.
„Sie können meins benutzen.“ Zander zog sein Handy aus der Hosentasche.
Wirklich, sie hatte vor, abzulehnen, zurückzugehen und in ihrer Suite zu überlegen, was in aller Welt sie bloß tun sollte. Aus Gründen, die sie lieber nicht genauer untersuchte, wollte Charlotte andererseits nicht, dass ihr Spaziergang mit Zander schon endete.
„Es ist ein Auslandsgespräch …“ Sie gab es auf, Ausflüchte zu machen. Die Kosten eines Anrufs waren für Zander wohl kaum ein Problem. „Danke.“
Höflich entfernte er sich von ihr und setzte sich auf einen Felsblock am Wasser, während sie die Nummer ermittelte und durchgestellt wurde.
Ihre Mutter klang verwirrt, sie flehte Charlotte an, sie zu retten und nach Hause zu bringen. Es war herzzerreißend, und Charlotte blinzelte Tränen weg, als eine Pflegerin ans Telefon kam.
„Vielleicht sprechen Sie kurz vor der Schlafenszeit besser nicht mit ihr“, empfahl sie freundlich. „Jetzt ist sie zwei Stunden lang völlig durcheinander.“
„Also hilft es mehr, wenn sie glaubt, ich habe sie vergessen?“, brauste Charlotte auf. Dann entschuldigte sie sich. „Tut mir leid, ich bin nur
Weitere Kostenlose Bücher