Julia Extra 360
dass es an diesem Abend keine Ausflüchte geben würde.
Nicht, dass er zuhörte, wenn Roula welche machte.
Als er ging, um wie jeden Tag vor der Taverne zu sitzen und Karten zu spielen und zu trinken, war Roula erleichtert, aber nur einen Moment später begann sie, sich vor seiner Rückkehr zu fürchten.
Siebzehn und Mutter von Zwillingen, waren sie der einzige Lichtblick in ihrem Leben. Sie waren schöner als alle anderen Babys, und sie konnte ihnen stundenlang beim Schlafen zusehen – wie sie am Daumen lutschten und mit dem Zeigefinger an die Nase drückten, die Wimpern so lang, dass sie die Wangen berührten. Manchmal öffnete einer die großen, dunklen Augen, blickte seinen Bruder an und schloss sie wieder, beruhigt durch das, was er sah.
Spiegelbildzwillinge, hatte die Hebamme zu Roula gesagt. Eineiige Zwillinge, allerdings seitenverkehrt. In dem weichen Babyhaar hatte Nico den Wirbel nach rechts, Alexandros nach links.
Mit fast einem Jahr schliefen sie noch immer in einem Kinderbett. Wenn Roula sie zu trennen versuchte, weinten sie. Selbst wenn sie die Betten zusammenschob, hörten sie nicht auf zu schreien. An diesem Abend würde er sie in getrennte Zimmer stecken.
Und sie würde sie die ganze Nacht schreien hören, während sich ihr Ehemann rücksichtslos ihres Körpers bediente. Roula konnte es nicht mehr ertragen.
Sie würde es nicht länger ertragen.
Ihr Vater würde ihr helfen, wenn er davon erfuhr. Alexandros mochte es nicht, dass sie ausging, deshalb hatte sie ihren Vater seit der Hochzeit nur ein paarmal besucht. Er hatte gewollt, dass sie heiratete, weil das bisschen Geld, das er für seine Bilder bekam, nicht für sie beide reichte. Seit dem Tod ihrer Mutter war er etwas verschroben und zog es vor, allein zu sein. Doch so ein Leben wünschte er seiner Tochter und seinen Enkelsöhnen ganz bestimmt nicht.
„Du musst es jetzt tun“, sagte sie sich. Ihr blieben vielleicht fünf oder sechs Stunden, bevor Alexandros zurückkehrte. Sie lief in den Flur, holte einen Koffer und packte die wenigen Sachen ein, die sie für ihre Babys hatte, dann rannte sie in die Küche, wo sie ein Marmeladenglas voller Geld versteckt hatte, das sie schon monatelang gehortet hatte.
„So dankst du mir?“
Als sie seine Stimme hörte, erstarrte Roula und schaltete einfach innerlich ab, während er sie schlug, während er zu ihr sagte, sie sei eine Diebin, wenn sie dem Mann Geld wegnahm, der ihr ein Dach über dem Kopf gab.
„Du willst gehen? Raus mit dir!“
Einen Moment lang wurde ihr leicht ums Herz, bis Alexandros ihr seinen brutalsten Schlag versetzte.
„Du kriegst einen von ihnen …“ Er zerrte Roula ins Schlafzimmer, wo die Babys schrien, die bei den schrecklichen Geräuschen aufgewacht waren. „Welcher ist der Erstgeborene?“ Er erkannte nicht einmal seine eigenen Söhne. „Welcher ist Alexandros?“
Als sie antwortete, hob er Nico aus dem Kinderbett und drückte ihn ihr in die Arme.
„Nimm ihn und jetzt raus.“
Entsetzt, weil Alexandros allein bei ihm zurückgeblieben war, lief Roula durch die Straßen bis zum Haus ihres Vaters. Nur dass es mit Brettern vernagelt war. Die Nachbarn erzählten ihr, er sei gestorben. Sie waren empört darüber, dass sie ihn in den Tagen vor seinem Tod nicht gepflegt hatte und nicht einmal auf seiner Beerdigung gewesen war.
Ihren Ehemann hatte man informiert, aber er hatte es ihr verschwiegen.
„Wir bekommen deinen Bruder wieder“, tröstete sie den schreienden Nico. Der Dorfpolizist trank regelmäßig mit Alexandros, er würde ihr nicht helfen, aber sie würde in die Hauptstadt von Xanos im Norden der Insel fahren. Dort gab es einen Anwalt.
Roula fuhr in einem Lastwagen mit und musste den Fahrer auf die übelste Art bezahlen, doch sie tat es für ihren Sohn. Sie tat es noch oft, zum Beispiel als sie feststellte, dass der reiche junge Anwalt Geld im Voraus wollte.
Ein kleiner Schluck billiger Ouzo aus dem Schraubverschluss sorgte dafür, dass Nico nachts schlief und sie mehr verdienen konnte. Der Rest der Flasche half ihr durch die Nacht.
Und sie bemühte sich.
Bis sie eines Tages in der schmalen Gasse, wo sie mit ihrem Baby im Arm saß, von diesem Mann angesprochen wurde.
„Wie viel?“
Roula sah auf und wollte ihren Preis nennen, doch neben dem Mann stand eine Frau, und so etwas machte Roula nicht.
„Kein Interesse.“
Nur wollte er gar nicht ihren Körper. „Wie viel für ihn?“
Sie seien kinderlos und vom Festland auf Urlaub hier, um ihren
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