Julia Extra Band 0193
da sie Sam Winton gesehen hatte, hatte sie ihn gewollt. Sosehr sie auch versuchte, ihre Gefühle zu unterdrücken, es war die Wahrheit. Sam Winton übte eine stärkere Wirkung auf sie aus als jeder andere Mann vor ihm.
Und sie war nicht die Einzige, die diese Anziehungskraft spürte. Sie war sicher, dass sie es sich nicht nur einbildete. Vor allem nicht, als er sich jetzt nur unwillig und zögernd von ihr löste. In seinen Augen standen all die Fragen geschrieben, auf die auch sie keine Antwort wusste. Und ihre verwirrte Miene ließ ihn den Kopf schütteln.
“Entschuldigung, das hatte ich nicht vor”, murmelte er.
“Ich auch nicht.” Das Verlangen in ihr war so groß, dass es schmerzte. Viel schmerzhafter allerdings war die plötzliche Erkenntnis, dass sie wahrscheinlich viel zu viel in diesen einen Kuss hineinlas. Sie wusste doch, wie leichtfertig er Affären begann. Die Erfahrungen ihrer Schwester waren Beweis genug. Haley hielt nichts von flüchtigen Affären. Rein gar nichts. Und mit Sam Winton erst recht nicht.
Sie musste jetzt etwas tun, musste Zeit haben, sich wieder zu fassen. Also ging sie zum Schreibtisch und stapelte die Papiere ordentlich – auch wenn ihre Hände zitterten wie Espenlaub. “Für gewöhnlich lasse ich mich nicht von jedem Fremden küssen”, meinte sie mit rauer Stimme.
“Für gewöhnlich küsse ich auch nicht jede Fremde.”
Und das von ihm! Glücklicherweise hatte er damit den Bann gebrochen. “Nein, natürlich nicht”, stimmte sie spöttisch zu.
Er kniff die Augen zusammen. “Das hört sich an, als glaubten Sie mir nicht.”
Sie musste an ihre Schwester denken. Joel war der lebende Beweis dafür, dass Sam mit einer praktisch Fremden sein Bett geteilt hatte. “Warum sollte ich Ihnen das glauben?”, konterte sie.
Er betrachtete sie argwöhnisch. “Ich weiß nicht, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass Sie mehr über mich wissen als ich über Sie.”
Wenn er wüsste, wie nahe er der Wahrheit kam. Sie wandte sich ab, um sich nicht zu verraten. “Selbst wenn ich mehr über Sie wüsste, aber dann doch kaum über Ihr Liebesleben, oder?”
Glücklicherweise nahm er den Kommentar anstandslos hin. “Stimmt. Ich werde mich nie daran gewöhnen, dass seit dem Erscheinen meines ersten Buches alle Welt von mir gehört hat.”
Nur zu gern ließ sich Haley auf den Themenwechsel ein. “Haben Sie schon immer Kinderbücher geschrieben?”
Er musterte sie scharf. “Sie meinen, ob ich je ein richtiges Buch geschrieben habe, oder?”
Sie verheimlichte nicht, dass sie beleidigt war. “Wenn ich es so gemeint hätte, hätte ich es auch so gesagt.”
Die düstere Sturmwolke, die über seinem Kopf hing, klarte genauso schnell auf, wie sie gekommen war. “Ja, den Eindruck hatte ich auch von Ihnen. Und die Antwort lautet ebenfalls Ja. Ich habe drei Bücher über griechische Philosophen und Dichter veröffentlicht, bevor ich anfing, für Kinder zu schreiben. Bei Homer fand ich die Anregung, mich mit den Mythen als Erklärungsmuster des menschlichen Charakters zu beschäftigen.
Panda
war da die logische Weiterentwicklung.”
Er sprach mit solcher Überzeugung und mit solchem Ernst, dass ihr zum ersten Mal Zweifel kamen.
Cosmic Panda
war eine Figur, die Kindern half, sich selbst und ihre Welt zu erkennen. Aber wenn ihm diese Idee wirklich beim Studium Homers gekommen war, wie konnte er sie dann ihrer Schwester gestohlen haben? Haley wusste, dass sie keinen Frieden mehr haben würde, bis sie die Antwort darauf gefunden hatte. Aber das konnte sie erst tun, wenn sie allein im Haus war.
“Wenn Sie vorhaben, rechtzeitig aus dem Haus zu kommen, sollten Sie mir dann jetzt nicht besser alles erklären?”, schlug sie vor.
Er nickte und setzte sich an den Schreibtisch. “Es wird nicht lange dauern. Vor allem möchte ich, dass Sie meinen Computer aufräumen und die Dateien in eine thematische Ordnung bringen.”
Das war neutraler Boden. Hier kannte sie sich aus. “Sie haben hoffentlich Sicherheitskopien von allem?”
Er zog eine Augenbraue in die Höhe. “Trauen Sie Ihren eigenen Fähigkeiten nicht?”
Sie schüttelte den Kopf. “Ich traue grundsätzlich keiner Maschine, die auf Strom angewiesen ist.”
“Richtig”, brummte er. “Aber keine Sorge, die Sicherheitskopien sind alle vorhanden. Sie können sich also beruhigt an die Arbeit begeben. Wenn ich zurückkomme, erwarte ich, dass mein Arbeitszimmer ein Musterbeispiel an Organisation und Effizienz ist.”
Sie überblickte
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