Julia Extra Band 0193
um sich medizinischen Rat einzuholen. „Wahrscheinlich hat sie sich überlegt, was sie tun sollte, bevor sie es dir sagte.“
Tom nickte. „Ja, heute sehe ich das auch so. Aber damals stellte ich eben alles infrage. Und als die Ärzte mir sagten, es sei nicht ihre erste Schwangerschaft, wurde mein Misstrauen immer größer. Warum hat sie mir nie davon erzählt?“
„Weil sie Angst hatte, deine Liebe zu verlieren“, antwortete Cass schlicht.
Tom schüttelte den Kopf. „Plötzlich schien mir unsere ganze Ehe wie eine Farce. Ich rechnete nach, mit den falschen Daten natürlich, und stellte fest, dass ich gar nicht Ellies Vater sein konnte. Zu der Zeit war ich in Amerika. Ich war so überzeugt davon …“
„Ich glaube kaum, dass dir jemand einen Vorwurf daraus machen kann“, meinte Cass verständnisvoll.
Tom verzog den Mund. „Außer Dray, meinst du wohl. Als er mir die Ergebnisse dieses ersten Tests brachte, die bewiesen, dass Ellie eine Carlisle ist, war ich immer noch so verbohrt, dass ich ihn beschuldigte, Ellies Vater zu sein“, gestand er beschämt ein. „Dray hat es auch nie verneint. Er sagt immer, dass man sich nie für Fehler entschuldigen oder Erklärungen abgeben soll, die andere Leute begangen haben. Stattdessen sagte er nur, ich solle selbst einen Test machen. Und dann ist er einfach gegangen. Wir haben seither kaum ein Wort miteinander gewechselt.“ Tom stöhnte auf. „Wie konnte ich nur so dumm sein und ihm eine Affäre mit Pen unterstellen? Dray ist viel zu ehrenhaft, um an so etwas nur zu denken.“
Cass war allerdings nicht so überzeugt. Bei ihr hatte er sich durch Ehrenhaftigkeit noch nie zurückhalten lassen. Allerdings war diese Sache etwas, das die Brüder unter sich ausmachen mussten.
„Vielleicht sollte ich zu ihm gehen und mit ihm reden, auch wenn ich mich wegen dieser hässlichen Unterstellung schäme.“ Tom sah zu Cass auf. „Und was ist mit dir?“
Erwartete Tom etwa, dass auch sie mit Dray reden würde? „Mit mir?“, wiederholte sie, nur um Zeit zu gewinnen.
„Ich weiß, dass du nicht ewig hierbleiben kannst, um dich um Ellie zu kümmern.“
Sie nickte. „Das stimmt. Aber da stehen schon ein paar Kindermädchen zur Auswahl. Vielleicht möchtest du dir sie ja mal ansehen?“
Tom streichelte verträumt Ellies Wange, dann reichte er sie zu Cass. „Ja, ich werde sie mir ansehen“, sagte er bestimmt, bevor er sich verabschiedete.
Später, als Cass Ellie für die Nacht badete und umzog, sah sie per Zufall aus dem Fenster. Die beiden Brüder standen unten auf der Auffahrt, schüttelten sich erst die Hand und umarmten sich dann herzlich und fest. Sie hatten sich also ausgesöhnt.
Was ihre Versöhnung mit Dray betraf, so dachte sie lieber nicht darüber nach. Aber sie hatte seit Mittag nichts mehr gegessen, und sie war hungrig, also ging sie hinunter.
Die Haushälterin hatte Brot, Aufschnitt und Käse auf dem Tisch im Wohnzimmer bereitgestellt, und Cass war froh darum. Bisher hatten Dray und sie meist gemeinsam in der Küche gegessen, aber da jetzt offenbar wieder der kalte Krieg zwischen ihnen ausgebrochen war, ließ sich im Wohnzimmer mehr Distanz halten.
Dray schien ebenfalls nicht das Bedürfnis zu haben, sich mit ihr auszusöhnen. Er saß am anderen Kopfende des Tisches und verharrte in düsterem Schweigen.
Vorhin noch hungrig, war Cass bei der angespannten Atmosphäre der Appetit vergangen. Sie trank mehr von dem Wein, als dass sie etwas gegessen hätte.
Als Dray aufblickte, bemerkte er ihr leeres Glas, nahm die Flasche und beugte sich vor, um ihr nachzuschenken. Cass trank das zweite Glas viel zu schnell; sie merkte, dass der Alkohol ihr bereits zu Kopf stieg.
„Noch eins?“, Dray hielt die Flasche hoch.
„Sicher, warum nicht.“
„Ja, warum nicht?“, wiederholte er eisig. Er leerte die Flasche in ihr Glas und stand auf, um eine zweite zu holen. „Wir betrinken uns, und dann können wir es hinterher auf den Alkohol schieben.“ Er entkorkte die zweite Flasche und füllte sein eigenes Glas nach.
Cass wusste, sie hätte die Bemerkung ignorieren können, aber irgendein Teufel ritt sie. „Was können wir auf den Alkohol schieben?“
Er lächelte sie an, ohne dass dieses Lächeln seine Augen erreicht hätte. „Das, was gleich passieren wird.“
Lass es, mahnte die Stimme der Vernunft, aber Cass hörte nicht. „Und was sollte das sein?“
„Nun, erst werden wir uns ein wenig streiten, das können wir ja so gut, und dann werden wir miteinander
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