Julia Extra Band 0193
presste, fühlte sie Stärke, Gefahr und Zärtlichkeit – alles in diesem einen Kuss.
Die innere Stimme, die sich schwach in ihr meldete, dass sie eine Närrin war, sich auf dieses Spiel mit dem Feuer einzulassen, verhallte unbeachtet. Haley wollte mehr als nur seine samtene, heiße Haut berühren, sie wollte eins mit Sam werden. Ja, vielleicht hatte sie sich ausgemalt, dass es eine wunderbare Art der Rache sein könnte, mit ihm zu schlafen und ihn dann fallen zu lassen, aber ihre Gefühle jetzt hatten nichts mit Rache gemein. Sie wollte von Sam geliebt werden. Zu lange hatte sie ihre Gefühle, ihre Bedürfnisse unterdrückt. Sie hatte immer gesagt, sie würde auf den Einen, den Richtigen warten, und sie würde wissen, wenn die Zeit gekommen war. War dies etwa der Mann und die Zeit?
Und während er sie liebkoste und ihren Körper erforschte, begann das Blut in ihren Ohren so laut zu rauschen, dass es jeden anderen Gedanken ausblendete, sogar ihre Angst, dass sie wahrscheinlich den Preis zahlen müsste, den sie Sam zugedacht hatte.
“Willst du es wirklich?”, hörte sie ihn jetzt fragen. “Bist du sicher?”
“Ja, oh, ja.”
Er griff nach seiner Jeans und angelte ein kleines Päckchen heraus. Als sie erkannte, was es war, wurde ihr das volle Ausmaß dessen bewusst, was sie im Begriff stand zu tun. Unwillkürlich spannte sie sich an und versuchte, sich zu beruhigen. Sie liebte Sam, also war es richtig, was sie tat. Es würde nur ein kurzer Schmerz sein, und danach das Paradies.
Doch ganz plötzlich erstarrte Sam. Er stützte sich auf und las die Wahrheit in ihren Augen, spürte die angespannten Muskeln in ihrem Körper.
“Für dich ist es das erste Mal, nicht wahr?”
“Ja, aber es ist in Ordnung, Sam, ehrlich.” Nie hatte sie etwas so ernst gemeint.
“Mit Ehrlichkeit hat das hier wohl kaum etwas zu tun. Bis jetzt warst du alles, nur nicht ehrlich zu mir.”
Erst da wurde ihr bewusst, was seine Worte zu bedeuten hatten. Es ging nicht darum, dass sie noch Jungfrau war. Die Nebel des Verlangens lösten sich auf, obwohl dieses Verlangen nach Sam jetzt wohl nie mehr erfüllt werden würde.
Mit Mühe setzte sie sich auf. “Lass mich erklären …”
“Ich bitte darum. Wie kannst du Jungfrau sein und ein Kind haben?” Seine Stimme klang so kalt, dass ihr das Blut in den Adern gefror. Alle Leidenschaft wich, sie fühlte sich ausgehöhlt und leer. Warum hatte sie ihn nicht aufgehalten, bevor er es herausgefunden hatte? Sie kannte die Antwort: Solange er nicht alles wusste, gab es für sie noch nicht einmal den Hauch einer Chance auf eine Zukunft mit ihm. Und gegen jegliche Vernunft sehnte sie sich nach nichts anderem mehr.
Jede Faser in ihrem Körper protestierte, als sie nach ihren Kleidern griff und sich anzog. “Joel ist nicht mein Kind.”
Seine immer noch kalte Stimme schnitt ihr ins Herz. “Das ist wohl offensichtlich. Wessen Kind ist er also?”
Die Furcht schien sie verschlingen zu wollen, aber sie atmete tief durch. “Joel ist dein Kind, Sam”, meinte sie leise. “Als ich dir erzählte, dass meine Schwester Ellen gestorben sei, habe ich dir nicht alles erzählt. Ellen war Illustratorin, Ellen Portman, und Joel ist ihr Baby. Ich habe ihn adoptiert, als sie starb. Du bist Joels Vater, Sam.”
Wut sprühte aus seinen Augen, als er sie jetzt mit starrer Miene musterte. “So, ich bin also Joels Vater, ja? Nun, dann muss wohl ein Wunder geschehen sein.”
Sie verstand nicht, was er sagen wollte. “Was meinst du damit?”
Er erhob sich abrupt und zog sich mit ruckartigen Bewegungen an. Dann fasste er sie bei der Hand und zog sie unsanft auf die Füße. “Komm mit, dann zeige ich dir, was ich damit meine.”
7. KAPITEL
Wie hatte sie nur so dumm sein können?
Sie hatte so sehr mit ihm schlafen wollen, dass sie darüber ihren so sorgfältig ausgeklügelten Plan völlig vergessen hatte, kaum dass er sie in seine Arme genommen hatte.
Sie konnte verstehen, wie schockiert er sein musste, dass sie ihn angelogen hatte. Dass sie unter einem Vorwand in sein Haus gekommen war. Dass sie sich mit einer Lüge in sein Heim eingeschlichen hatte. Ja, sie konnte sogar verstehen, wenn er sie jetzt dafür hasste. Aber das erklärte immer noch nicht, was er da von einem Wunder redete.
Er stapfte mit energischen Schritten vor ihr her zum Haus, den Kinderwagen mit Joel vor sich herschiebend. Der Kleine schlief immer noch friedlich, ohne zu ahnen, welches Drama sich in seiner unmittelbaren Nähe
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