Julia Extra Band 0193
abspielte.
Als Sam zum Kinderwagen gegangen war, hatte Haley den zärtlichen Blick in Sams Gesicht gesehen, obwohl er immer noch leugnete, Joels Vater zu sein. Dann war Wut und Ärger in seine Züge getreten. Und noch etwas anderes. So sieht ein Mann aus, dem man ein wunderbares Geschenk wieder abnimmt, dachte Haley seltsam verwirrt.
Sam mochte das Baby, dessen war sie sicher. Er verbrachte viel mehr Zeit mit dem Kleinen als nötig, und er genoss diese Zeit. Warum also lehnte er eine Vaterschaft so vehement ab?
Dass Sam sich aus der finanziellen Verantwortung ziehen wollte, kam sicherlich nicht als Grund infrage. Jedes seiner Bücher war ein Erfolg, und Haley hatte durch die Arbeit an seinen Dateien herausgefunden, dass er sowohl für die Kinder seiner Schwester einen Ausbildungsfonds eingerichtet hatte als auch regelmäßig recht hohe Summen an gemeinnützige Organisationen spendete. Sam war ein sehr großzügiger Mann.
Haley erinnerte sich daran, dass Miranda sie einmal gefragt hatte, ob es auch absolut sicher sei, dass Sam Joels Vater war. Zweifel meldeten sich bei Haley, doch sie schüttelte sie sofort ab. Ellen hatte sie nie angelogen, und sie hatte auch keinen Grund gehabt, Haley so kurz vor ihrem Tod anzulügen. Außerdem – jeder konnte schon jetzt sehen, dass Sam und Joel Vater und Sohn waren.
Nun auch verärgert, beschleunigte Haley ihre Schritte, bis sie Sam eingeholt hatte. “Ich nehme ihn”, sie griff nach dem Kinderwagen, “da du nichts mit ihm zu tun haben willst.”
“Ihm geht es gut genau da, wo er ist”, knurrte Sam.
Sams Nein kam unerwartet und machte sie nur noch wütender. “Nein, ihm geht es gar nicht gut. Sein Vater hat ihn gerade verleugnet.” Der gleiche Mann hatte auch sie abgewiesen, aber darüber würde sie sich später Gedanken machen. Jetzt ging es zuallererst um Joel.
Sam warf ihr einen vernichtenden Blick zu. “Du bist dir ja so sicher, nicht wahr?”
“Meine Schwester hätte mich bei so etwas Wichtigem nie angelogen, schon gar nicht, da sie wusste, dass sie bald sterben würde.”
“Ich verstehe, es ist eine echte Tragödie, und ich verstehe auch, dass du verzweifelt nach einem Zuhause für Joel suchst, damit du in Ruhe dein Leben weiterleben kannst.”
Sie ballte die Fäuste, um ihm nicht eine Ohrfeige zu versetzen. “Ich bin weder verzweifelt noch wird irgendjemand mir Joel wegnehmen können. Aber er verdient es, dass er seinen Vater kennt. Ellen hat mir gesagt, dass du sein Vater bist, und ich glaube ihr.”
Für einen Moment trübte sich sein Blick. “Wenn deine Schwester so krank war, hat sie die Dinge vielleicht durcheinandergebracht.”
“Das bestimmt nicht. Willst du auch abstreiten, dass du vor anderthalb Jahren mit Ellen Portman geschlafen hast?”
“Nein, ich habe mit ihr geschlafen. Wir haben zusammengearbeitet. An jenem Tag flatterte mein Scheidungsurteil ins Haus, und sie war auch wegen irgendetwas bedrückt, obwohl sie mir nicht sagen wollte, was es war. Wir haben einander getröstet, mehr war es nicht.”
Haley sah auf den schlafenden Joel. “Nun, es ist aber mehr daraus geworden.”
“Ja, Joel ist da, aber das muss nicht automatisch heißen, dass ich sein Vater bin.”
“Ellen war keine Frau, die wahllos mit jedem ins Bett stieg, wenn du das meinst”, fauchte Haley wütend.
Er runzelte die Stirn. “Nein, das meinte ich auch nicht. Die Ellen, die ich kannte, war eine warmherzige, wunderbare, talentierte Frau, die sich mehr Sorgen um meine Situation als um ihr eigenes Problem machte. Ich wusste, dass sie krank war, aber ich wusste nicht, dass es so ernst war.”
“Sie hat nie Mitleid gewollt.”
“Ich habe sie auch nicht bemitleidet. Ich wusste nur, dass sie mich damals genauso brauchte wie ich sie. Es ist auch kein zweites Mal passiert.”
Sie waren beim Haus angekommen, und Sam hielt Haley die Tür auf. Als sie an ihm vorbeiging, streifte sie ihn unabsichtlich, und ein Gefühl wie ein Stromschlag durchfuhr sie, eine unwillkommene Erinnerung an das, was sich vor Kurzem zwischen ihnen abgespielt hatte. Trotz allem, was zwischen ihnen stand, sehnte sie sich danach, seine Arme um sich zu spüren.
“Ich werde Joel in sein Bett bringen, da hat er es bequemer zum Schlafen.” Sie würde diese Minuten allein brauchen, um sich wieder zu fangen.
“Ich komme mit.”
Glaubte er, sie würde die Beine in die Hand nehmen und wegrennen, sobald sie ihm den Rücken kehrte? Und selbst wenn, würde er das nicht begrüßen? “Das ist nicht
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