Julia Extra Band 0193
Brief seit Monaten nicht mehr in Händen gehalten, aber er kannte den Inhalt auswendig. Mehr als einmal war er versucht gewesen, dieses Stück Papier zu verbrennen. Aber er hatte es behalten, als Mahnung sozusagen, falls er in Zukunft jemals wieder in Versuchung kommen sollte, sich in eine feste Beziehung zu verstricken.
“Also?”, fragte er düster. “Ist das jetzt Beweis genug für dich? Ich kann gar keine Kinder zeugen. Von den körperlichen Voraussetzungen her bin ich zeugungsunfähig.”
Sie starrte ihn verdattert an. “Aber … Ich verstehe nicht.”
Er weigerte sich, sich von ihrem hilflosen Blick und ihrer zusammengesackten Haltung beeindrucken zu lassen. “Was gibt es da zu verstehen? Ich kann keiner Frau ein Kind schenken, weder meiner Exfrau noch deiner Schwester.”
“Aber Ellen war sich so sicher.”
Auch wenn er sich vorgenommen hatte, sich nicht beeindrucken zu lassen, ihre Trauer und Hoffnungslosigkeit berührten ihn nun doch. “Du sagtest, dass sie krank war. Was ist passiert?”
“Man fand den Tumor zwei Wochen vor diesem Empfang, auf dem ihr euch kennenlerntet. Deshalb konnte sie nicht an dem ersten
Panda
-Buch mitarbeiten. Durch die Bestrahlungen ging der Tumor zurück, und Ellen ging es gut genug, um beim zweiten Buch dabei zu sein. Sie glaubte, sie könne nicht schwanger werden, wegen der Behandlung. Dabei wünschte sie sich so sehr ein Baby. Aber das kostete sie das Leben.”
Haley so dasitzen zu sehen, so elend zusammengesunken, löste in ihm das Bedürfnis aus, sie in seine Arme zu nehmen und zu trösten. Aber er kämpfte gegen diese Versuchung an. Sie und ihre Schwester hatten versucht, ihn auszunehmen, hatten ihm ein Märchen aufgetischt und ihn zum Narren gehalten. Er sollte sie hochkant hinauswerfen, anstatt gegen dieses Gefühl ankämpfen zu müssen, sie an sich zu ziehen. “Deine Schwester war sehr krank”, sagte er milder. “Wahrscheinlich hat sie gegen Ende ihres Lebens sogar selbst geglaubt, dass es die Wahrheit war. Warum sie allerdings ausgerechnet auf mich verfallen ist, weiß ich nicht.”
Der medizinische Bericht fiel Haley aus den Fingern. Ihr war eiskalt. Also bestand keine Möglichkeit mehr, dass Joel seinen Vater je kennenlernen würde. “Kann es sich dabei um einen Irrtum handeln?”, fragte sie als letzte Hoffnung.
Sam schüttelte den Kopf. “Kaum. Der Arzt, der die Tests bei mir gemacht hat, war mein Schwager. Wir konnten einander nicht ausstehen, aber er ist einer der Besten auf diesem Gebiet.”
Haley wusste, sie klammerte sich an einen Strohhalm, aber das Ganze ergab keinen Sinn. Ihre Schwester hatte zwei Jahre lang keine Beziehung zu einem Mann gehabt. Sie war zu krank gewesen. Ellen hatte ihr gesagt, dass sie nur dieses eine Mal mit Sam geschlafen hatte. “Wenn dieser Mann dich nicht mochte, könnte er vielleicht die Testergebnisse manipuliert haben?”
“Er ist Arzt. Er hat einen Eid geleistet.” Sam faltete das Blatt wieder zusammen und steckte es in den Umschlag. “Haley, sieh es doch ein. Ich möchte dir ja helfen, aber …”
Aber er würde es nicht. Natürlich nicht, es bestand ja keine Veranlassung für ihn. Er war schließlich nicht verantwortlich für das Kind eines anderen Mannes. Auch nicht für Haleys Reaktion auf ihn. “Ich verstehe”, sagte sie niedergeschlagen. “Ich werde morgen früh abfahren.”
Sam wusste, er sollte sie gehen lassen, doch stattdessen sagte er: “Ich will nicht, dass du gehst.”
Sie sah ihn verwundert an. “Aber ich dachte, nach all dem …”
“Du hast getan, was du für richtig hieltest. Für Joel. Daraus kann ich dir keinen Vorwurf machen. Und ich habe wohl auch zu heftig reagiert, nachdem ich herausfand, dass du gelogen hast.”
Haley wünschte sich verzweifelt, sie wäre diese Sache anders angegangen. Offen, ehrlich. Jetzt verstand sie auch, warum er so wütend auf Ellen gewesen war, als sie ihm von dem Baby erzählt hatte. Er musste ja davon ausgehen, dass Ellen ihn anlog. “Es tut mir leid. Ich wollte keine alten Wunden aufreißen.”
“Du hast es ja nicht wissen können.”
Ein Gedanke regte sich in Haley: Da blieb immer noch die Frage, ob Sam die Idee von Ellen gestohlen hatte oder nicht. Und das würde sie leichter herausfinden können, wenn sie hierblieb. Und wenn sie blieb, bestand auch sehr viel eher die Möglichkeit, dass sie sich in seinen Armen wiederfinden würde … “Ich bleibe”, sagte sie nur, wusste aber genau, welcher Grund der ausschlaggebende war.
“Gut. Ich
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