Julia Extra Band 0193
hielt Miranda dagegen. “Dich nur deshalb zu heiraten, um dich zum Schweigen zu bringen, erscheint mir doch als eine sehr weit hergeholte Idee.”
Und deshalb auch als unmöglich, hörte Haley deutlich aus Mirandas Bemerkung heraus. Alles in ihr drängte danach, es zu glauben, doch es stand zu viel auf dem Spiel. “Ich weiß nur, dass ich Joel von ihm wegholen musste. Ich kann und darf ihn nicht verlieren.”
“Wen?”, fragte Miranda listig. “Sam oder Joel?”
“Joel natürlich”, antwortete Haley empört. “Sam bedeutet mir nichts.”
“Wenn du es sagst …” Sie sah unauffällig auf ihre Uhr.
Aber Haley bemerkte es trotzdem. Jetzt erst sah sie, dass ihre Freundin sich schick zurechtgemacht hatte – offensichtlich wollte sie ausgehen. “Miranda, ich halte dich doch nicht auf? Entschuldige, ich hätte dich nicht einfach so heimsuchen dürfen. Du hast eine Verabredung, nicht wahr? Ich werde mit Joel zu mir nach Hause fahren, sobald das Gewitter sich gelegt hat.”
“Das tust du auf gar keinen Fall. Ich treffe mich mit einem Freund zum Abendessen. Und falls wir danach noch irgendwohin gehen, wird es nicht hierher sein. Also sieh nicht so schuldig drein.”
“Bist du sicher?”
“Absolut. Du bist herzlich eingeladen, über Nacht zu bleiben. Ich werde bestimmt nicht nach Hause kommen.”
Haley freute sich für ihre Freundin. “Wer ist denn der Glückliche?”
“Er ist der Cousin des Designers, von dem ich dir erzählt habe.”
Ach ja, der, der das Hochzeitskleid entwerfen sollte. Nur gut, dass sie Miranda nie darum gebeten hatte, ihre Beziehungen spielen zu lassen. Sie umarmte die Freundin herzlich. “Ich wünsche dir einen wunderbaren Abend. Und danke, dass wir bleiben können.”
Miranda hatte offensichtlich ein schlechtes Gewissen. “Bist du sicher, dass du allein zurechtkommst? Ich meine, ich kann auch bleiben, wenn du jemanden zum Reden brauchst …”
Natürlich wäre es schön, sich an der Schulter der Freundin ausweinen zu können, aber nur, weil es mit Sam und ihr nicht geklappt hatte, hieß das nicht, dass Miranda nicht ihr eigenes Glück genießen sollte. “Nein, geh nur. Und tu all das, was ich nicht tun würde.”
Mirandas Augen waren voller Verständnis. “Das wirst du schon noch. Irgendwann.”
“Aber nicht mit Sam.”
“Es ist so schade, denn ganz offensichtlich bist du völlig vernarrt in ihn. Und das letzte Mal, als ich mit ihm sprach, schien er mir genauso vernarrt in dich zu sein.”
“Ach, du bist einfach unverbesserlich. Und du irrst dich. So wie er sich verhalten hat, verhält sich kein Mann, der verliebt ist.”
Miranda schwieg einen Moment nachdenklich. Dann sagte sie: “Tja, du musst wohl am besten wissen, was richtig für dich ist.” Damit ließ sie das Thema Sam fallen, und Haley war ihr dankbar dafür.
“Bedien dich am Kühlschrank und nimm dir, worauf du Lust hast”, bot Miranda an. “Mit Babynahrung kann ich allerdings nicht dienen.”
“Die habe ich dabei, danke. Und jetzt sieh zu, dass du zu deiner Verabredung kommst.”
“Soll ich wirklich nicht besser bleiben?”
Nie zuvor hatte sie so sehr eine Freundin gebraucht, aber Haley brachte es nicht über sich, Miranda den Abend zu verderben. “Du hast schon genug für uns getan. Mach, dass du endlich wegkommst.”
Miranda warf sich einen Umhang über und verließ mit einem letzten Blick auf Haley das Haus. Als sich die Tür hinter ihr schloss, atmete Haley erst einmal tief durch. Nur von dem einen Gedanken beseelt, Joel so schnell wie möglich aus Sams Nähe fortzuschaffen, hatte sie nicht überlegt, was sie als Nächstes tun sollte. Hierbleiben konnte sie nicht. Wenn Sam sie nicht bei sich zu Hause antraf, würde er sofort hierherkommen.
Doch erst einmal musste Joel gefüttert werden, und sie hatte auch Hunger. Mit Kissen bereitete sie ein provisorisches Bett für Joel auf dem Sofa, dann ging sie, immer noch im Bademantel, in die Küche, um die Babynahrung aufzuwärmen und ein paar Rühreier für sich selbst zuzubereiten.
Mit einem Tablett in der Hand kam sie ins Wohnzimmer zurück. Joel war so mitgenommen durch das Gewitter, dass er schon nach ein paar Löffeln Brei einschlief. Müde war sie auch, aber aus ganz anderen Gründen. Heute Abend würde sie nicht mehr klar genug denken können, um einen Plan für ihre nächsten Schritte aufstellen zu können. Also holte sie sich die Fernsehzeitung heran. Aber da gab es nichts, was sich anzuschauen lohnte.
Ein Klopfen an der Haustür
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