Julia Extra Band 0193
sein.”
Haley versteifte sich instinktiv. Es war das erste Mal, dass sie hörte, wie Joel mit Sams Namen in Verbindung gebracht wurde. “Und Sie sind?”, fragte sie den Mann.
“Entschuldigen Sie, ich hätte mich gleich zu Anfang vorstellen sollen. Ich bin Matthew MacGookin, Sams Anwalt.”
Alarmsirenen schellten in Haleys Kopf los. “Anwalt? Gibt es denn ein Problem?”
Matthew öffnete den Aktenkoffer und zog einen dicken Stapel Unterlagen hervor. “Nicht, was diesen kleinen Kerl anbelangt. Sam ist so stolz. Er hat mich beauftragt, sofort den Anspruch auf das Sorgerecht klarzustellen. Nach dem, was er mit seiner ersten Frau erlebt hat, ist das ja kein Wunder, nicht wahr?”
Anspruch. Das Wort war wie ein Schlag ins Gesicht. Sam vertraute ihr nicht. Verblüfft nahm sie wahr, wie sehr ein einziges Wort verletzen konnte. Würde sie ihn je überzeugen können, dass sie nicht war wie seine Exfrau? “Worum geht es denn da?”
Der Anwalt strahlte zufrieden. “Das ist die einstweilige Verfügung, dass Sam vollen rechtlichen Anspruch auf seinen Sohn hat.”
Anspruch. Schon wieder. Unwillkürlich drückte Haley Joel fester an sich. Nur die Ruhe, sagte sie sich, jetzt nur nicht die Nerven verlieren. “Sam hat mir gar nichts davon gesagt”, brachte sie gelassen heraus.
“Wahrscheinlich sollte es eine Überraschung sein.”
Sie nickte. Und was für eine! “Und ich spiele dabei gar keine Rolle?”
Matthew sah sie überrascht an. “Aber natürlich! Ihre Schwester hat Sie in ihrem Testament als rechtlichen Vormund bestimmt. Sam hätte nicht die geringste Chance, wenn es hart auf hart käme. Deshalb ist es ja eine so wunderbare Lösung für alle, dass Sie beide heiraten. Es sind immer die Kinder, die am schlimmsten unter einer gerichtlichen Auseinandersetzung leiden, nicht wahr?”
Die Wahrheit lag schwer wie ein Fels auf ihren Schultern. Sie hatte gewusst, dass Sam sie nicht liebte, aber dass er sie nur heiratete, um einen Prozess zu vermeiden, war zu viel. Auch sie musste Sam vertrauen können, und die Art, wie er die Dinge hier gehandhabt hatte, machte es ihr unmöglich. Er war hinter ihrem Rücken zu seinem Anwalt gegangen.
Wollte sie Joel wirklich in dieser Atmosphäre von Misstrauen und Argwohn groß werden lassen? Und wie wollte sie Sam irgendetwas entgegensetzen können, solange er die Chemie zwischen ihnen benutzte, um sie, Haley, genau nach seinem Willen wie eine Marionette zu manipulieren? Nur weil er ihre Welt aus den Angeln heben konnte, hätte sie fast Joel verloren.
Nein! Genug davon! Sie hob den Kopf, streckte die freie Hand aus und hoffte inständig, dass dem Anwalt das Zittern ihrer Finger entging. “Ich werde Sam die Dokumente geben.” Allerdings sagte sie nicht, wann.
Matthew MacGookin lächelte dankbar. “Gut. Ich muss nämlich in zwanzig Minuten im Gericht sein. Richten Sie Sam doch bitte aus, er kann mich jederzeit anrufen, wenn er noch Fragen hat.”
“Natürlich, das mache ich.” Hoffentlich geht dieser Mensch bald, bevor ich die Fassung verliere, dachte sie verzweifelt, brachte es aber trotzdem fertig, ein bezauberndes Lächeln aufzusetzen.
Kaum war der Anwalt gegangen, verschwand das Lächeln, und es hätte sie nicht gewundert, wenn sie vor lauter Wut explodiert wäre. Wie konnte Sam es wagen? War diese Verlobung nur eine Finte, um sie abzulenken, bis er die rechtlichen Formalitäten erledigt hatte? Wenn sie erst verheiratet wären, war es belanglos, ob sie blieb oder nicht. Joel würde ihm rechtlich zugesprochen werden.
Der Diamant an ihrem Finger blitzte wie zum Hohn auf. Ärgerlich riss sie den Ring herunter und warf ihn achtlos auf den Tisch. Solange sie nicht von Sam hören würde, was genau er plante, war diese Farce vorbei.
Tränen brannten in ihren Augen, und ein Zittern erfasste sie, wie Schüttelfrost. Joel, der ihre Unruhe spürte, verzog weinerlich das Gesicht.
“Ist schon in Ordnung, Mäuschen.” Sie küsste seine weiche Wange. “Niemand wird dich mir wegnehmen.”
Und das war ihr todernst. Sam mochte reich und bekannt sein, und er mochte auch Joels leiblicher Vater sein, aber sie würde nicht eher ruhen, bis sie jede Möglichkeit wahrgenommen hatte, dass Joel bei ihr bleiben konnte.
Sie drückte den Kleinen an sich. “Sieht so aus, als sei dein Daddy doch ‚das Biest‘“, flüsterte sie.
Was für eine Närrin sie doch gewesen war, sich einzubilden, Sam könnte sie lieben lernen. Sie würde also auf ihn, seine Küsse, seine Nähe verzichten
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