Julia Extra Band 0193
müssen. Nun gut. Er hatte seine Wahl getroffen und ihr damit keine andere Wahl gelassen.
Sie sammelte Joels Sachen zusammen, stopfte sie in eine Tasche und bestellte telefonisch ein Taxi.
10. KAPITEL
Das Gewitter, das sich schon den ganzen Morgen angekündigt hatte, brach los, als das Taxi vor Mirandas Haus vorfuhr.
Während Haley den Fahrer bezahlte, schaute er zweifelnd auf das am Hang liegende Haus. “Sie werden ganz schön nass werden, bis Sie da oben sind”, meinte er zu Haley.
Es regnete in Strömen, und um bis zur Haustür zu kommen, musste Haley ein ganzes Stück durch den Garten laufen. Blitze zuckten über den See, an dessen Ufer Mirandas Haus lag, und Joel zuckte jedes Mal erschreckt zusammen, wenn das Donnergrollen laut und dumpf herüberrollte.
“Keine Angst, Mäuschen”, versuchte Haley das zitternde Kind zu beruhigen. “Nur ein kurzes Stückchen, und wir sind bei Tante Miranda in Sicherheit.” Gleich nachdem sie das Taxi bestellt hatte, hatte sie Miranda angerufen und vorgewarnt, dass sie mit Joel zu ihr kommen würde. Zum Fahrer gewandt, sagte sie nun: “Ich werde eben rennen müssen.”
Sie zog ihre Jacke aus, legte sie Joel um den Kopf, damit wenigstens er ein wenig Schutz hatte, und spurtete los. Als sie auf der Veranda angekommen war, war sie bis auf die Haut durchnässt.
Miranda wartete schon in der Tür und sah sie besorgt an. “Gott, du zitterst ja vor Kälte. Komm schnell herein.” Sie nahm Haley Joel ab, der herzzerreißend schrie, und strich ihm die nassen Haare aus dem Gesicht. “Der arme Kerl ist ja vor lauter Angst ganz steif. Geh direkt ins Bad und trockne dich ab, sonst holst du dir noch den Tod.”
Haley folgte Miranda durch den langen Korridor zum Badezimmer. Miranda reichte ihr einen flauschigen Bademantel. “Zieh den über, wenn du deine Sachen ausgezogen hast. Ich kümmere mich so lange um Joel. Er ist wenigstens nicht ganz so nass wie du. Nicht wahr, kleiner Mann?”
Erleichtert, dass Joel sich mittlerweile wieder beruhigt hatte, begann Haley, sich aus den nassen Kleidern zu schälen. “Ja, unter meiner Jacke hatte er es ein bisschen trockener.”
“Während du eine Lungenentzündung riskierst. Du hast mir übrigens immer noch nicht gesagt, was eigentlich passiert ist.”
Stockend berichtete Haley von Sams rechtlichen Schritten, das Sorgerecht für Joel zu bekommen. “Wenn ich nicht per Zufall die Papiere in Händen gehalten hätte, wüsste ich immer noch nichts davon”, endete sie bitter.
Miranda pfiff leise durch die Zähne. “Das sieht Sam eigentlich gar nicht ähnlich. Aber manche Männer scheinen plötzlich einen überhöhten Besitzerinstinkt zu entwickeln, sobald es um ihre Söhne geht.”
“Joel ist mein Sohn, nicht Sams.”
Miranda sah sie nachdenklich an. “Sam ist Joels Vater, ob du es nun wahrhaben willst oder nicht.”
Nein, sie weinte nicht. Das mussten einfach noch Regentropfen sein, die ihr jetzt über die Wangen liefen. “Und wo war Sam, als Ellen schwanger und allein war? Außer mir war niemand da. Und wo war er, als Joel das Licht der Welt erblickte und zum Mittelpunkt meines Lebens wurde?”
“Langsam wird’s hier drin aber voll.”
Haley, die sich mit einem Handtuch die Haare trocken rubbelte, sah Miranda verständnislos an. “Wie?”
“Mir scheint, Sam ist ebenfalls hier.”
“Was soll das denn jetzt?” Haley begriff nichts. “Er ist in seinem Haus. Ich habe ihn zurückgelassen, verlassen, und zwar für immer.”
Miranda schaukelte Joel auf ihrem Knie. “Warum hast du dann dieses Leuchten in den Augen, wann immer von ihm die Rede ist? Ich kenne Sam seit Jahren, und ja, er kann stur wie ein Esel und ziemlich egoistisch sein, aber er ist nie falsch gewesen, und lügen würde er nie.”
“Er hat Ellens Idee gestohlen. Ich habe den Beweis gesehen.” Sie hatte Miranda bereits in einem früheren Telefonat von ihrer Entdeckung berichtet.
“Dieser Ordner beweist nur, dass die beiden zusammengearbeitet haben, mehr nicht.”
Haley schaute ihre Freundin misstrauisch an. “Sag mal, auf wessen Seite stehst du eigentlich?”
Miranda kämmte Joel gerade die Haare. “Auf beiden Seiten, denn ich mag euch beide”, lächelte sie. “He, das ist nichts zum Essen.” Gerade noch rechtzeitig nahm sie Joel die Bürste weg, bevor er sie in den Mund stecken konnte.
Haley musste lächeln, aber das Lächeln verschwand sofort wieder. “Er hat diesen Anwalt beauftragt, ohne mir etwas davon zu sagen.”
“Ich weiß nicht”,
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