Julia Extra Band 0193
schreckte sie auf. Hatte Miranda etwas vergessen? Aber nein, sie würde doch den Hausschlüssel benutzt haben, oder? Also konnte es nur Sam sein. Haley verharrte. Wenn sie sich ganz stillhielt, glaubte er vielleicht, dass keiner zu Hause sei, und würde wieder gehen.
Das zweite Klopfen weckte Joel auf, und er begann zu weinen. Sie hob ihn auf ihre Arme, um ihn zu trösten, und er schlief auch sofort wieder ein, aber zu spät, Sam hatte das leise Weinen gehört.
Haley legte Joel wieder hin und ging zur Tür. Sam stand auf der Veranda und schüttelte gerade einen großen schwarzen Schirm aus. Er trug immer noch die dunkle Hose und den hellen Kaschmirpullover, die er für das Interview gewählt hatte. Beim Anblick seiner beeindruckenden Erscheinung wurde Haleys Mund trocken. Sie brauchte mehr Zeit, um sich auf eine neuerliche Begegnung mit ihm einzustellen, um gegen seine Wirkung auf sie immun zu werden. Also flüchtete sie sich in Ärger.
“Du hast das Baby aufgeweckt”, fauchte sie ihn an.
“Ich werde gleich die ganze Nachbarschaft aufwecken, wenn du mich nicht hereinlässt”, knurrte er zurück.
“Na schön, aber nur, weil ich Miranda keine Schwierigkeiten machen möchte.”
Er ließ den Schirm auf der Terrasse stehen und folgte Haley ins Wohnzimmer. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, als er Joel friedlich in seinem provisorischen Bett aus Kissen auf dem Sofa schlafen sah, doch dann wandte er sich wieder mit düsterer Miene zu Haley. Er streckte den Arm aus und öffnete die geschlossene Faust. Auf seiner Handfläche lag der Verlobungsring.
“Würdest du mir das bitte erklären?”
Sie drehte sich um und griff nach den Rechtsunterlagen, um sie ihm auf eben diese geöffnete Handfläche zu schlagen. “Wenn du mir das erklärst”, fauchte sie böse. “Dein Anwalt brachte sie vorbei, damit du sie unterschreiben kannst. Er behauptete, damit würdest du deinen rechtlichen Anspruch auf Joel bestätigen.”
Er würdigte die Unterlagen keines Blickes. “Und du denkst natürlich, ich will dir Joel wegnehmen.”
“Was sonst soll ich denn denken?”
Sein Mund verzog sich zu einem abfälligen Lächeln. “Solltest du mir nicht vertrauen? Ich dachte immer, Vertrauen sei einer der Grundpfeiler einer Ehe.”
“Es sei denn, bei der Ehe handelt es sich um eine Farce. Was genau ist der Zweck dieser Ehe, Sam? Entweder ich schweige über den wahren Urheber deiner Erfolgsfigur oder du wirst mir mein Baby wegnehmen?”
“Bei deiner Fantasie solltest du Schriftsteller werden. Du hast es immer noch nicht begriffen, nicht wahr? Ich habe dir einen Heiratsantrag gemacht, weil ich dich liebe. Aus keinem anderen Grund.”
Sie war so verblüfft, dass sie vor lauter Unbehagen begann, das vom Abendessen stehen gebliebene Geschirr einzusammeln. Warum hatte er diese Worte nicht gesagt, als er sie bat, seine Frau zu werden?
“Das ändert jetzt auch nichts mehr”, meinte sie tonlos.
“Sollte es aber besser. Es sei denn, du beabsichtigst einen Krieg zwischen uns auszulösen.”
“Warum sollte es dazu kommen?”
“Ich weiß, dass du Joel behalten willst. Aber er ist mein Sohn”, knurrte er. “Ich hatte gehofft, er könnte unser Sohn sein, könnte aufwachsen mit zwei Elternteilen. Aber ich werde nicht zulassen, dass du versuchst, mich auszuschließen. Du solltest dir darüber im Klaren sein, dass ich nicht kampflos nachgeben werde.”
“Das weiß ich”, sagte sie müde. “Ich kann mir auch keine teuren Anwälte leisten. Ich kann für mich nur anführen, dass ich alles mir Mögliche aus Liebe zu Joel getan habe. Das muss reichen.”
Sam machte einen Schritt auf sie zu, hielt dann aber inne. “Du wirst stärkere Argumente brauchen, um meinen Sohn von mir fernzuhalten.”
“Wie wäre es denn damit? Erst will sein Vater nichts von ihm wissen, dann entdecke ich Beweise, dass sein Vater ein Betrüger und Lügner ist. Nicht unbedingt ein Mann, dem man das Sorgerecht für ein Baby zuspricht, oder?” Und auch kein Mann, dem sie ihr Herz schenken könnte. Aber das war jetzt nicht mehr wichtig. Jetzt ging es nur noch darum, Joel zu schützen.
Sam zuckte zusammen, als hätte sie ihn geschlagen, aber dann streckte er die Schultern. “Diese angeblichen Beweise, die du gefunden hast, sind nicht mehr als ein paar Probeskizzen von deiner Schwester.”
“Das ist völlig ausreichend.” Es muss einfach ausreichen, sagte sie sich.
“Nein, ist es nicht”, gab er ungerührt zurück. Doch dann wurde er laut.
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