Julia Extra Band 0198
und arbeiten … das würde mich umbringen.”
“Ich habe mich seit Liams Geburt an Nächte mit wenig Schlaf gewöhnt, und davon abgesehen, viel Schlaf habe ich noch nie gebraucht. Allerdings muss ich zugeben …” Er schaute noch einmal auf seine Uhr.
Natürlich muss er doch langsam unruhig werden, dachte Flora. Er konnte doch kein Interesse daran haben, im Morgengrauen von einer Liebeskranken aufgehalten zu werden, die ihm unaufgefordert gute Karrieretipps gab. Was bilde ich mir eigentlich ein? dachte sie nun alarmiert. Schließlich hatte dieser Mann auf seinen Schlaf verzichtet, um hier
allein und ungestört
seine Arbeit beenden zu können. “Sie warten bestimmt zu Recht … auf Ihren Lohn. Nehmen Sie auch einen Scheck?” Innerlich erstarrte Flora, so schockiert war sie jetzt über sich selbst.
Liebeskrank!
Ja, das war sie und konnte es nicht länger vor sich selber leugnen.
“Ist etwas nicht in Ordnung?”
Flora rang sich ein gestanztes Lächeln ab und schüttelte den Kopf. “Nein, nichts.” Das stimmte – wenn man denn den Umstand außer Betracht ließ, sich zum ersten Mal in seinem Leben richtig verliebt zu haben. “Ich dachte nur gerade für einen Moment, womöglich gar keinen Scheck bei mir zu haben, aber ich schaue unten sofort nach.”
“Einen Scheck …?” Er musste übermüdet sein, sie so zu fragen. Tatsächlich schienen seine Augen wie abwesend über ihren angespannten Körper zu schweifen.
“Ja – Sie sagten doch, Sie sind so gut wie fertig mit der Arbeit, oder?”
“Ich will aber kein Geld von Ihnen.” Er klang plötzlich ungehalten.
“Was? Oh – aber Sie bekommen doch eigentlich gar kein Geld von mir”, versuchte sie ihn zu beschwichtigen. “Ich erhalte den Betrag doch von Claire wieder zurück.” Insgeheim wollte sie allerdings die Kosten der Renovierung übernehmen als Dankeschön an Claire dafür, in ihrem Haus wohnen zu dürfen.
Doch er konfrontierte sie noch immer mit stählernem Blick. “Nein.”
Flora wurde langsam ungeduldig. Und verzweifelt, wenn sie daran dachte, in was für nette, umgängliche Männer sie sich hätte verlieben können. Warum musste es ausgerechnet so ein exzentrischer, starrköpfiger Mann sein? Noch dazu einer, der undurchschaubar war und noch nicht einmal etwas Besonderes für sie übrig zu haben schien. Toll ausgesucht, Flora!
“Worin liegt denn da ein Problem?”, fragte sie scharf.
“Ich habe diesen Auftrag gern ausgeführt …” Er schaute im Zimmer umher. “Die Arbeit hatte für mich etwas Heilsames.”
Flora mochte ihm diese Erklärung nicht so recht abnehmen. Etwas Heilsames? Dieser Mann wirkte gerade überhaupt nicht entspannt. Im Moment sah er sogar in dem gleichen Maße angespannt aus wie sie selbst sich fühlte!
“Nun, auch ich liebe die Arbeit in meinen Beruf sehr, aber gleichwohl habe ich kein Problem damit, für meine Arbeitsleistung auch gerecht entlohnt zu werden”, argumentierte Flora.
“Aber vielleicht habe ich ja gerade eine ganz neue Karriere für mich entdeckt durch diese Arbeit hier, das wäre ja auch so etwas wie eine Belohnung, oder? Können wir es nicht damit gut sein lassen?”
Flora hätte ausrasten mögen. “Nein, das können wir auf gar keinen Fall!”, rief sie jetzt laut und stampfte dabei mit dem blanken Fuß auf dem Holzfußboden auf. “Hören Sie endlich auf mit diesem albernen und völlig verfehlten Stolz. Sie haben hier etwas fertiggestellt, und dafür bekommen Sie, was Ihnen zusteht. Nicht mehr und nicht weniger.”
“Ich nehme aber kein Geld von Ihnen an, und damit ist das Thema für mich beendet.”
“Meine Güte, wie können Sie nur so stur sein”, zischte sie. “Wo es wirklich nicht rechtens wäre, mich auf solche Großzügigkeit einzulassen.”
“Großzügig bin ich beileibe nicht!”, brummte er. Wütend trat er einen Schritt vor und stand plötzlich dicht neben ihr.
Nun standen sie da, Kinn an Kinn, genauer gesagt ihr Kinn in der Höhe seines Brustkorbs; Flora hob den Kopf, um den Unterschied in der Höhe auszugleichen. Seine physische Präsenz, die magnetische Kraft, die von diesem Mann ausging, war das aufregendste und Furcht erregendste Gefühl, das sie je erlebt hatte. Sie fühlte sich gleichzeitig glühender Hitze und einem Kälteschauer ausgesetzt, was nicht normal sein konnte. Aber was war schon normal, was ihre Reaktion auf diesen Mann anging? Leicht schwindelig sah sie ihm in die funkelnden grauen Augen. Den Zorn, der ihr da entgegenblitzte, konnte sie nicht
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