Julia Extra Band 0211
auszuheulen”, bemerkte Jenna.
Sie hatte schon früh festgestellt, dass ihre Mutter ihr nicht helfen konnte. Karen Harper war immer viel zu sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, auch wenn sie ihre Tochter sicherlich liebte.
Marcus warf ihr einen Blick zu. “Wenn du doch jemand brauchen solltest, weißt du, wo du mich finden kannst.”
Sie schaffte es, ihn schwach anzulächeln. “Danke, aber es wird schon gehen.”
“Du bist ziemlich eigenständig, nicht wahr?”
“Ich habe mich immer darum bemüht.”
“Das musstest du wohl auch – nachdem dein Vater so früh gestorben ist.”
“Ich habe ihn nie wirklich gekannt. Aber für meine Mutter war es bestimmt nicht leicht.”
“Als sie in den Süden gezogen ist, haben wir ihr versprochen, uns um dich zu kümmern.”
Damals hatte Jenna kurz vor ihrem zwanzigsten Geburtstag gestanden und war noch zur Uni gegangen. “Ich glaube nicht, dass sie darunter eine lebenslange Belastung gemeint hat.”
Marcus lenkte den Wagen in die stille Vorortstraße, wo sie und Katie wohnten. “Du stellst für uns keine Belastung dar, Jenna. Du bist eine Freundin. Und das wird es in den kommenden Wochen vielleicht etwas schwierig für dich machen. Wirst du dich Katie anvertrauen?”
“Nein.” Es würde für ihre Freundin bereits schwer genug werden, sich an Callie zu gewöhnen. Sie musste nicht auch noch von ihrem Liebesleid erfahren.
Marcus hielt vor dem Haus. “Ich bringe dich noch hinein.”
“Das musst du nicht …”
Er achtete nicht auf ihren Protest. Das war auch gut so, denn als Jenna die Wohnungstür aufsperrte, tropfte Wasser von den Wänden und der Decke. Auf dem Teppich hatte sich ein riesiger feuchter Fleck gebildet.
“Verdammt!”, rief Marcus. “Entweder hat jemand seinen Wasserhahn nicht zugedreht oder irgendwo ist ein Rohr geplatzt.”
Es dauerte Stunden, ehe alles wieder in Ordnung war. Marcus blieb trotz Jennas Proteste bei ihr. Er telefonierte herum und half ihr mit dem Aufputzen.
Nachdem sie alles einigermaßen trockengelegt hatten, sah es in der Wohnung noch immer fürchterlich aus. “Jetzt gibt es keine Ausrede mehr”, sagte Marcus. “Du kommst mit zu mir.”
“Ich weiß nicht …”
“Du kannst doch nicht hier bleiben”, meinte er. “Ist alles Notwendige hier drin?” Er hob die Reisetasche auf, die Jenna eigentlich für das Wochenende bei den Crossans gepackt hatte.
“Also gut. Ich ziehe mich nur schnell noch um”, sagte sie. “Es wird nicht lange dauern.”
Marcus’ Apartment war das reine Gegenteil zu Jennas und Katies fröhlichem Chaos. Das Wohnzimmer war großzügig geschnitten und sehr hell. Alles war ordentlich und wirkte elegant minimalistisch. So befand sich auf Marcus’ Couchtisch nur eine einzige Tonschale, während sich auf dem der Freundinnen Zeitschriften und Bücher stapelten und meist auch noch offene Nagellackfläschchen herumstanden.
Marcus’ Bücher waren fein säuberlich in Regale eingeordnet, und überall lagen die Dinge an dem dafür vorgesehenen Platz.
Auch das Gästezimmer, in das er Jenna führte, war aufgeräumt. “Das Bett ist frisch bezogen”, sagte er. “Mach es dir gemütlich. Ich rufe Katie an und erkläre ihr die Lage.”
Sie öffnete ihre Tasche und hängte den Rock und das Oberteil, die sie mitgenommen hatte, in den leeren Schrank.
Als sie die Schranktür schloss, sah sie sich plötzlich im Spiegel, der draußen daran festgemacht war. Ihr Gesicht wirkte erstarrt und ihr Mund blass. Nachdenklich holte sie den Lippenstift heraus und schminkte sich, um wieder etwas Farbe zu bekommen. Zumindest musste sie etwas dagegen tun, nicht wie eine viktorianische Wasserleiche auszusehen.
Im Wohnzimmer legte Marcus gerade den Hörer auf. “Ich dusche mich und ziehe mich dann auch schnell um. Hast du Hunger?”
Jenna hatte gar nicht mehr an Essen gedacht, aber Marcus’ Magen knurrte inzwischen vermutlich ziemlich laut. “Ich könnte etwas kochen, während du im Bad bist”, schlug sie vor.
“Gute Idee. Bediene dich einfach aus dem Tiefkühlfach.”
Eine Stunde später saßen sie vor Hühnerbrüstchen mit Reis und Erbsen. Marcus hatte eine Flasche Chardonnay aufgemacht und prostete Jenna lächelnd zu.
Anscheinend war ihr der Liebeskummer nicht auf den Magen geschlagen. Sie aß alles auf und trank auch ein zweites Glas Wein leer.
Sie sprachen kaum etwas miteinander. Als er seinen Teller von sich schob, sagte sie: “Ich habe keine Nachspeise gemacht, aber du hast Käse im
Weitere Kostenlose Bücher