Julia Extra Band 0213
David erhob sich mit einem Blick auf die Uhr. “Zeit für den Aufbruch”, meinte er. Die anderen hatten auf eine weitere Viertelstunde Pause gehofft.
Dennoch standen alle widerspruchslos auf und verabschiedeten sich.
“Sagst du mir nicht Auf Wiedersehen, Darling?”, meinte Claudia provokant, als David Anstalten machte, ohne Verabschiedung zu gehen.
David erstarrte. “Natürlich”, meinte er ruhig und ging zu ihr hinüber. Er legte ihr die Hand auf die Schulter. “Bis später”, sagte er und küsste sie kurz auf den Mund.
Claudia war gewappnet. Doch bei der leichten Berührung spürte sie eine elektrisierende Spannung. Sie holte laut Luft, als David wieder den Kopf hob.
In seinen Augen konnte sie nicht erkennen, was er dachte. Sie hatte ihn dazu gezwungen, nun durfte sie sich über das Ergebnis nicht beschweren.
Claudia schlug als Erste die Augen nieder. Sie schluckte. “Bis später”, meinte sie mit heiserer Stimme.
Sie würde ihn nicht wieder provozieren. Dieser kurze erschütternde Kuss wurde von beiden nicht mehr erwähnt.
In den nächsten Tagen versuchten sie, Berührungen möglichst zu vermeiden. Den Tag über sahen sie sich ohnehin kaum. Nur abends gab es immer eine Party, ein Barbecue oder ein Dinner, weil die ausländischen Ingenieure versuchten, sich auf ihrem spartanischen Gelände ihre eigenen Vergnügungen zu schaffen.
Gelegentlich ergriff David Claudias Hand, um sie zu stützen, wenn sie stolperte. Ein oder zwei Mal berührte sie ihn zufällig auf einer Party. Beide fuhren dann wie vor einem Feuer zurück und entschuldigten sich leise. Claudia fiel es schwer, sich an den Kitzel zu gewöhnen, den Davids leisestes Streicheln bei ihr auslöste. David versuchte von sich aus, möglichst viel Distanz zu halten.
Solange viele Menschen um sie waren, war die Spannung zwischen ihnen kaum zu spüren. Wenn sie aber allein waren, verhielten sie sich betont kühl und höflich zueinander. Und in der Nacht lagen sie stumm in dem großen Bett nebeneinander und versuchten, nicht an die Nähe des anderen zu denken.
Die Tage gingen dagegen leicht dahin. David war mit Besprechungen beschäftigt. Claudia lag faul mit Lucy am Pool. Eines Tages besuchten sie den arabischen Markt in der Stadt, wo sich dunkle kleine Läden in engen Gassen gegenüberlagen und die Luft vom muffigen durchdringenden Geruch der Gewürze getränkt war. Stundenlang sahen sie sich den schweren arabischen Silberschmuck an. Claudia kaufte schließlich nur eine Kaffeekanne aus Kupfer, die für die Region typisch war.
“Schau mal, ob beim Reiben der Kanne dein persönlicher Geist erscheint?”, riet Lucy, als sie wieder auf der Straße waren. “Was würdest du dir wünschen?”
Claudia sah unvermittelt Davids Gesicht vor sich. Sie blieb augenblicklich stehen und sah auf die Kaffeekanne. Sie wollte nicht
David
.
Lucy sah sie besorgt an. Claudia zwang sich zu einem Lächeln. “Ich würde mir Justin wünschen”, meinte sie.
“Wirklich?”
Claudia ging weiter. “Ja, warum denn nicht?”
“Ich weiß nicht, ob du ihn wirklich so gern magst, wie du sagst.”
“Wieso?”
Lucy zögerte. “Du hättest dich viel eher in David verlieben können als in Justin.”
Claudia kämpfte mit einem seltsamen Gemisch aus Angst und Wut. “Ich bin doch nicht in David verliebt”, fuhr sie auf. “Du bist verrückt! Ich mag den Mann nicht einmal.”
“Schon gut”, entgegnete Lucy einlenkend. “Patrick hat nur neulich so etwas gemeint.”
“Was weiß Patrick schon davon”, fuhr Claudia auf.
“Er meinte, es sei so eine Spannung in der Luft.”
“Das ist doch lächerlich.”
“Vielleicht ist Spannung nicht das richtige Wort.” Lucy versuchte, sie zu beruhigen. “Aber selbst wenn ihr beide euch an entgegengesetzten Enden eines Zimmers aufhaltet, besteht eine Verbindung zwischen euch wie ein elektrischer Strom.”
“So ein Quatsch!”
Lucy ließ sich nicht leicht überzeugen. Claudia änderte daher ihre Taktik.
“Verzeih”, meinte sie nach einem Moment. “Ich sollte mich nicht so über deinen Scherz aufregen. Aber ich habe mich richtig in Justin verliebt. Mir geht es schlecht, weil ich nie mit ihm allein sein kann. Ich werde zurückfliegen, ohne seine wahren Gefühle für mich zu kennen.”
Lucy nahm ihre Cousine tröstend in den Arm. “Das tut mir leid”, meinte sie. “Ich hatte keine Ahnung, wie ernst es ist. Du kannst jederzeit wiederkommen, wenn David nicht mehr hier ist. Du und Justin werdet mit Sicherheit ein Paar,
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