Julia Extra Band 0213
verschanzen …” Je mehr Kendal sich nun in diesen Gedanken hineinsteigerte, desto größer erschien ihr die Möglichkeit, dass es sich so verhalten könnte. “Vielleicht hast du das Ganze ja zusammen mit deiner ach so cleveren Miss Westgate inszeniert! Versteht sie sich gut mit Kindern …?” Doch als sie so provokante Worte in den Raum stellte, spürte Kendal, dass sie nicht nur ihn damit verletzte, sondern auch sich selbst.
Trotzdem funkelten ihre grünen Augen jetzt verächtlich. “Niemand würde
dich
je verdächtigen, Jarrad, nicht wahr? Den ach so respektablen Firmenchef …”
“Hör endlich auf!”
Er tat einen großen Schritt nach vorn und stand dann direkt vor ihr; rau packte er sie bei den Schultern.
“Wieso?” Trotz ihrer Vorhaltungen wurde sie jedoch ihr eigenes Schuldgefühl nicht los; dennoch gab sie nicht nach. “Kannst du es nicht aushalten, womöglich die Wahrheit zu hören? Kannst du nicht …”
“Ich sagte ‘Aufhören’, Kendal!”
Jetzt schüttelte er sie kräftig. Ein letztes Mal bäumte sich alles in ihr auf, Schmerzen, Wut, Reue, bis alles in einen großen Seufzer mündete und sie hilflos gegen Jarrads Schultern sank. Da sie halbwegs überzeugt war, dass bei Matthews Verschwinden Jarrad seine Hand mit im Spiel hatte, konnte sie sich wenigstens beruhigen, dass ihr Kind wohlauf sein würde, und nur aus diesem Grunde – wie sie erkannte – hoffte sie sogar, dass Jarrad beteiligt war.
Ein Arm legte sich nun um ihre Schultern, der andere Arm drückte sanft gegen ihren Rücken. Jarrad sprach nicht, und so hörte Kendal außer ihren Schluchzern nichts weiter als das Ticken seiner Armbanduhr nahe an ihrem linken Ohr.
Eine ganze Weile später, als ihr Schluchzen endlich aufgehört hatte, sagte er leise: “Komm, gehen wir.” Sein starker Arm geleitete Kendal sanft in Richtung Wohnungstür.
Sie sah ihn aus verweinten Augen an. “Wohin denn?”
“Nach Hause.”
“Nach Hause?” Doch dann ging ihr ein Licht auf; leicht panisch versuchte sie, sich seinem Griff zu entziehen.
“Du bleibst keinesfalls allein hier – also, gehen wir”, war alles, was er dazu sagte; sein Ton klang entschieden, spürte er doch ihren inneren Widerstand.
Doch Kendal wusste ohnehin nur zu gut, dass jeder Versuch, sich querzustellen oder zu argumentieren, gänzlich sinnlos gewesen wäre.
Kendals Herz pochte heftig, als Jarrad in die ruhige Seitenstraße eines exklusiven Londoner Stadtteils einbog, den glänzenden schwarzen Porsche durch das ihr wohlbekannte Eingangstor zu seinem Grundstück lenkte und ihn am Ende der kurzen Auffahrt zum Stehen brachte.
Wie oft habe ich mir eine solche Rückkehr in Gedanken und Träumen ausgemalt, dachte sie jetzt und spürte einen Kloß in der Kehle, als sie an der Fassade des eleganten Hauses im Tudorstil hinaufblickte, welches er für sie hatte bauen lassen. In wilden Traumbildern hatte sie sich in seine Arme laufen sehen, so als sei ihrer beider traurige Vergangenheit nie gewesen, und jedes Mal hatte sie dabei ein unglaubliches Glücksgefühl empfunden. Aber das alles war eben nur in diesen aufregenden Träumen geschehen. Für einen kurzen Moment tauchte Kendal wieder ein in die Erinnerung an ihre kurze glückliche Zeit in diesem Haus zu dritt – mit Jarrad und Matthew.
Matthew
! O Himmel, bitte mach, dass ich ihn gesund wiedersehe …
“Komm.”
Sie war dankbar, als Jarrads starker Arm ihr aus dem Wagen half und sie die flache Treppe hinaufführte, bis zu der vertrauten Haustür aus Eichenholz.
Es kam ihr jetzt wie gestern vor, dass sie von hier weggegangen war. Und alles sah noch genauso aus wie damals – nur eines fehlte. Die Laute eines kleinen Kindes.
“Du siehst total erschöpft aus.” Jarrad hatte die Haustür hinter ihnen geschlossen und sah Kendal nun besorgt an. “Und übrigens hast du heute noch gar nichts gegessen.”
“Was macht das schon?”, murmelte sie teilnahmslos. Im Arm hielt sie einen kleinen blauen Teddybären, den sie sich noch rasch aus Matthews Bettchen gegriffen hatte, bevor sie ihre Wohnung verließ. Es war sein Lieblingsplüschtier …
Jarrad schüttelte missmutig den Kopf. “Und ob das etwas macht. Du musst etwas essen, und wenn es nur eine heiße Suppe ist.” Er klang wie ein strenger Vater, der sein störrisches Kind ermahnt.
Kendal zog eine Grimasse; ihr Magen rebellierte schon beim bloßen Gedanken an etwas Essbares. “Ich kann aber nichts essen.”
Jarrads Gesichtsausdruck wurde noch unerbittlicher. “Nein,
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