Julia Extra Band 0213
Tisch.
Verunsichert sprang Kendal auf und eilte zum Flur, wo eine kleine Wanduhr hing.
Vierzehn Uhr
dreiunddreißig
? Jarrad hatte recht. Also wo um Himmels willen war Matthew? Und Valerie? Sie war jetzt schon mehr als eine halbe Stunde überfällig!
Kendal spürte, wie sich vor Schreck und Angst jeder einzelne Muskel in ihr verkrampfte. Hatte sie einen Unfall? Valerie war selbst Mutter. Und sie war verlässlich. “Sie ist noch nie zu spät gekommen …!”
“Noch nie, nur heute.” Bei seinem rigiden Tonfall, gekoppelt mit einem ebenso eisigen wie skeptischen Blick, zuckte Kendal erneut zusammen.
“Meinst du etwa, ich hätte das extra so inszeniert, nur um dich in Aufruhr zu versetzen?” Aufgewühlt lief sie zum Telefon.
“Um mich in Aufruhr zu versetzen vielleicht nicht. Aber womöglich doch als eine Strategie, mir meinen Sohn vorzuenthalten …”
Kendal ignoriert diese Bemerkung und wählte die Nummer von Valerie. In diesem Moment klingelte es an der Wohnungstür.
“Also bequemt die zuverlässige Frau sich doch noch, ihn abzuliefern.” Erzürnt schritt Jarrad zur Tür, um eigenhändig zu öffnen.
“
Mister
Mitchell?” Eine Männerstimme; von draußen schallte sie kühl und offiziell bis zu Kendal herüber. Sie ließ den Hörer auf die Gabel sinken und blieb wie angewurzelt stehen.
“Ja”, antwortete Jarrad nur.
“Was ist passiert?” Schon war auch Kendal zur Wohnungstür gehastet und sah einem ganz jungen Polizisten ins Gesicht … und dann der ihn begleitenden Polizistin. Beide machten ein ernstes Gesicht. “Ein Unfall … o Gott …!”, rief Kendal.
“Nein, Mrs Mitchell.” Der Polizist sah sie eindringlich an. “Sie sind doch Mrs Mitchell, nicht wahr?”
Wie gelähmt konnte Kendal nur stumm nicken.
“Verdammt, so sagen Sie endlich, was geschehen ist, Mann!”, fuhr Jarrad den Polizisten ungeduldig an. Ungehalten funkelte er auch die Polizistin an.
Der Polizist fuhr ein wenig zusammen; die Autorität, die sein älteres Gegenüber ausstrahlte, verfehlte seine Wirkung nicht. Trotzdem bewahrte der Beamte vorschriftsmäßig Haltung. “Dürften wir vielleicht hereinkommen, Sir?”, fragte er mit einem gewissen Maß an untergebener Haltung, das zu unterschreiten sich gegenüber Jarrad Mitchell so leicht niemand traute.
Und dann, irgendwie – Kendal wusste nicht genau, wie es passiert war – saßen der Beamte und seine Kollegin auch schon in ihrem Zimmer, und alles, was Kendal noch wahrnahm, war, dass Jarrad neben ihr stand und in höflichem, doch zugleich befehlendem Ton sprach. “Nun? Sagen Sie mir bitte, was mit meinem Sohn ist?”
3. KAPITEL
ENTFÜHRT!
Kendal starrte auf einen dunklen Fleck auf dem abgelaufenen Teppich; der kleine runde Fleck schien vor ihren Augen hin und her zu tanzen. Sie hatte endlose Fragen der Polizeibeamten über sich ergehen lassen.
Doch nun hatten sie sich verabschiedet, und jetzt musste Kendal allein fertig werden mit der betäubenden Gewissheit dessen, was da geschehen war.
Matthew entführt, einem Kidnapper zum Opfer gefallen. Und das, obwohl Kendal davon überzeugt war, dass ihr kleiner Sohn bei seiner Betreuerin Valerie gut und sicher aufgehoben war …
“Hier.”
Kendal starrte auf die ihr vertraute männliche Hand, ohne sie eigentlich wahrzunehmen, und auf den Cognacschwenker, der ihr nun so unerbittlich unter die Nase gehalten wurde.
“Trink das”, befahl Jarrad ihr. “Danach wirst du dich etwas besser fühlen. Zumindest werden dann wieder ein paar Lebensgeister in dich zurückkehren.”
Jetzt erinnerte Kendal sich, dass sie beinahe in Ohnmacht gefallen war, nachdem die Polizistin ihr die schockierende Mitteilung gemacht hatte. Danach war sie erst richtig wieder zu sich gekommen, als sie gespürt hatte, wie sich Jarrads Arm um sie legte, und sie seine beruhigende Stimme vernahm, als er ihr gut zuredete. Leere Worte zur Beruhigung, dachte sie jetzt, denn natürlich, was konnte er schon tun?
Sie nahm das Glas entgegen, das er ihr immer noch energisch hinhielt, und zwang sich, einen Schluck zu trinken; sogleich musste sie husten, da ihr der Cognac in der Kehle brannte.
Valerie Humphries stand nach Aussage der Polizistin auch noch unter dem Schock der Ereignisse und konnte Matthews Verschwinden nicht begreifen. Er hatte in ihrem Vorgarten gespielt, das kleine Gartentor war geschlossen gewesen – so hatte sie gegenüber der Polizei ausgesagt. Nur einen Moment habe sie dem Kleinen den Rücken zugekehrt; als sie dann wieder zu ihm
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