Julia Extra Band 0213
selbstbewusstem Ton. “Oh, natürlich …”
Nun, was hatte sie denn erwartet? dachte Kendal, als sie allmählich wieder zu sich kam. Schließlich war sie Matthews Mutter!
“Sag mal … kann ich irgendetwas tun? Ich weiß, wie viel das Kind dir bedeutet.”
Eine Pause trat ein, bevor Jarrad wieder sprach. “Nein. Und ich habe keinen blassen Schimmer, wo zum Teufel Matthew sein könnte, Lauren!”
Kendal war überrascht, wie emotional und wie verzweifelt er gerade klang, nachdem er am Abend zuvor doch so cool gewirkt hatte.
“O Jarrad! Wenn ich dir doch nur irgendwie helfen könnte …”
So geräuschlos sie konnte, legte Kendal den Hörer zurück auf die Gabel. Sie wollte nichts mehr hören.
Matthew war ihr Kind. Ihres und Jarrads. Aber mit dieser anderen Frau teilte er seinen Kummer. Nicht mit ihr, Kendal, seiner Ehefrau.
Ihr entfuhr ein tiefer Seufzer, und sie spürte einen stechenden Schmerz tief in der Brust.
O Jarrad! Wie hat es mit uns beiden nur so weit kommen können? fragte sie sich gequält. War das alles eine Strafe, die ihr auferlegt wurde dafür, dass sie diesen Mann zu sehr geliebt hatte? Hatte das Schicksal entschieden, dass ihr Glück einmal so groß war, dass nun wie zum gerechten Ausgleich ihr all dies Unglück widerfahren sollte?
Kendal wurde auf einmal ganz blass. Sie schleppte sich aus dem Bett, zog eine weiße Bluse an und dazu eine Hose, die sie gestern aus ihrer Wohnung mitgebracht hatte. Dann trat sie vor den Spiegel und sah ihre dunklen Augenringe.
Ihr Aussehen ignorierend, begab sie sich nach unten ins Esszimmer. Jarrad stand in leichter Freizeitkleidung hinter dem großen Esstisch aus Eiche am Fenster. Kendal konnte erkennen, wie extrem angespannt Jarrad war, wie nachdenklich er hinaus in den Garten schaute, auf den dicken Zedernbaum und ein üppiges buntes Blumenbeet.
“Ach, du bist es”, sagte er und drehte sich nur halb nach ihr um, als er sie hereinkommen hörte. Er klang gleichgültig, noch desinteressierter als am Abend zuvor. So als sei ihm alles egal, weil sein Sohn verschwunden war.
“Ich möchte mich entschuldigen”, sagte sie leise und mit leicht zittriger Stimme.
“Wofür denn?” Er sah sie noch nicht einmal an, sondern stand immer noch regungslos da, beide Hände in den Hosentaschen.
“Für etwas, das ich gestern geäußert habe.” Ihr fiel es schwer, ihn anzusprechen, wo er ihr so den Rücken zukehrte. “Als ich sagte, dass du … womöglich … Matthews Entführung inszeniert hast.”
Nun drehte er sich zu ihr um, und Kendal konnte sehen, wie müde und erschöpft er wirkte. Sie fragte sich, ob er in der Nacht überhaupt ein Auge zugedrückt hatte. “Und was hat dich zu dieser Einsicht geführt?”
Kendal schluckte. Was würde es nützen, ihm jetzt eine Lüge aufzutischen?
“Ich … habe vorhin mitgehört, wie du dich mit Lauren unterhalten hast.”
Er verzog die Mundwinkel. “Hältst du es immer noch für notwendig, mir nachzuschnüffeln, Kendal?”
Ich habe das verdient, sagte sie sich im Stillen, wenn es auch wehtat.
“Ich hatte angenommen, am Telefon sei die Polizei. Ich hatte überhaupt nicht an Lauren gedacht!”, verteidigte sie sich ehrlich. Sie hatte allerdings keine Lust, sich ungerecht von ihm behandeln zu lassen. Und so ließ sie sich zu einer leicht angriffslustigen Bemerkung verleiten. “Ich habe überhaupt kein Interesse daran, in deinem Leben herumzuschnüffeln! Von mir aus kannst du tun und lassen, was du willst – es ist mir völlig egal!”
Sein Gesicht blieb ausdruckslos. “Ach, wirklich?”
O Jarrad, tu mir das jetzt bitte nicht an!
flehte sie innerlich. Doch nach außen zeigte sie ihre Gefühlsregungen nicht. Schon vor mehr als einem Jahr hatte sie gelernt, ihre Gefühle vor ihm zu verbergen. Und daran sollte sich nie mehr etwas ändern.
Doch da sah sie Angst und Sorge aus seinen Augen sprechen. Beides in so hoher Intensität, dass sie beinahe allen Unmut Jarrad gegenüber vergessen und ihn umarmt hätte in dem Schmerz, von dem sie beide gleichermaßen betroffen waren.
Kendal wusste nicht, was sie davon abhielt. Vielleicht war es der Gedanke an Lauren und ihr Verhalten in dem Telefonat; sie hatte nicht gerade nur wie eine Arbeitskollegin geklungen, sondern viel zutraulicher, viel intimer. Eher wie eine Geliebte … Vielleicht war es aber auch der Gedanke an ihre eigene Mutter, die ihr Leben aushauchte, weil ein Mann sie gefühllos betrogen hatte.
Sie fuhr zusammen, denn wieder schrillte das Telefon, und
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