Julia Extra Band 0213
Kendal fuhr erschrocken zusammen.
“Kendal?”
Erleichtert atmete sie aus, als sie die Stimme ihrer Schwester hörte. Doch noch eine gegenteilige Reaktion stellte sich ein. Enttäuschung? Das kann doch wohl nicht sein! dachte sie und ärgerte sich über sich selbst.
“Ich verreise – für ein paar Wochen!” Chrissie klang ganz aufgeregt.
“Wie? Wieso? Mit wem?” Schlagartig war Kendal so quicklebendig wie ihre Schwester.
“Mit Ralph. Er wurde doch von seiner neuen Firma nach Italien geschickt. Nun hat er mich dorthin eingeladen. Er will einen Neuanfang mit mir versuchen! Weil er unter unserem Zerwürfnis leidet!”
“Klingt ja großartig!”, begeisterte Kendal sich grundehrlich.
“Leider kann ich dir dann nicht beistehen … bezüglich Jarrad …”, meinte Chrissie.
“Ich werde schon allein damit fertig!” Hinter diesem Satz steckte allerdings mehr Selbstbeschwörung und Rebellion als Überzeugung. Tatsächlich stimmte die Aussicht, ausgerechnet die bevorstehende Zeit ohne ihre Schwester auskommen zu müssen, Kendal wenig froh.
In den darauf folgenden Tagen konzentrierte Kendal sich ganz auf ihr gestalterisches Projekt für die Arkwrights und in der kurzen freien Zeit ganz auf Matthew. Am Donnerstag wurde sie jedoch hektisch und nervös. Ihr war klar, warum. Am Freitag wollte Jarrad wieder bei ihr aufkreuzen.
Je näher der Termin kam, desto intensiver dachte Kendal krampfhaft darüber nach, welche Begründung sie Jarrad liefern sollte, warum es ihr unmöglich sei, mit zu ihm nach Hause zu kommen.
Schon den Gedanken daran konnte sie nicht ertragen. Nicht nach allem, was vorgefallen war, und bei der starken physischen Anziehungskraft, die gegen ihren Willen noch immer von ihm ausging.
Und dann erschien er auch schon – unerwartet früh und gerade zu dem Zeitpunkt, als Kendal mit einer Reihe von zermürbenden Anrufen wegen eines bestimmten Tapetenmusters für die Arkwrights fertig war. Die Zeit vom Morgen bis zu den Mittagsstunden war verflogen wie nichts. Doch es war noch nicht ganz zwei Uhr, der vereinbarte Termin, zu dem Valerie den kleinen Matthew zurückbringen sollte. Kendal zuckte zusammen, als Jarrad ohne zu klopfen durch die nur angelehnte Tür der Veranda hereingeschlendert kam, so wie schon beim Mal davor.
“Du bist zu früh dran”, hielt sie ihm vor und donnerte den Telefonhörer auf die Gabel – sichtbarer Beleg für den nervenaufreibenden Vormittag, der hinter ihr lag.
Jarrad war offensichtlich schnurstracks aus seinem Büro zu ihr gekommen – sein tadellos sitzender silbergrauer Anzug mit dem makellos weißen Hemd zeugte davon. Die gepflegte Aufmachung wirkte noch bestechender in Kombination mit der auffallenden Bräune dieses schmucken Mannes. Kendal fragte sich, ob er wohl gerade irgendwo einen Kurzurlaub mit Lauren eingeschoben hatte. Doch schnell redete sie sich ein, dass ihr das egal sei.
“Nun? Seid ihr zwei startbereit?”
Aha, er erwartete wohl, dass sie auf sein Kommando hin alles stehen und liegen ließ. Kendal verschlug es fast die Sprache.
Sie zupfte sich demonstrativ an einer losen Haarsträhne. “Sehe ich etwa so aus?”, fragte sie unterkühlt und merkte, wie er jetzt den Blick über ihr ungekämmtes Haar und ihre erröteten Wangen schweifen ließ … und dann unbeirrt weiter zu dem V-Ausschnitt ihrer Baumwollbluse.
“Es geht schon so”, meinte er trocken und blickte dann zur Tür zum angrenzenden Zimmer. “Und wo ist Matthew?”
Kendal rang nach Luft. Sie konnte sein Auftreten nicht fassen. “Er kommt gleich zurück. Ich …”
“Zurück von wo?”, unterbrach er sie ruppig. “Ist er etwa wieder bei dieser Babysitterin? Oder hast du ihn diesmal deiner kleinen Schwester an den Hals gehängt?”
“Ich hänge ihn niemandem an den Hals!”, wehrte sie sich empört. “Chrissie ist gern mit Matthew zusammen. Gerade aber ist er bei Valerie”, sagte sie ruhig, trotz seines finsteren Blicks. “Ich habe mit ihr ausgemacht, dass sie ihn um zwei Uhr hier abliefert.”
“Wenn das so ist, wo ist der Kleine dann?” Stirnrunzelnd schaute er auf seine elegante goldene Armbanduhr, die gegen die dunklen Haare seines gebräunten Handgelenks erstrahlte. “Auf meiner Uhr ist es schon kurz nach halb drei …”
Konsterniert sah Kendal auf ihre eigene Armbanduhr. “Bei mir ist es zwanzig nach eins …”
“Dann braucht wahrscheinlich einer von uns beiden dringend eine neue Uhr”, bemerkte er trocken und legte beide Hände gefaltet auf den
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