Julia Extra Band 0213
Mitte fünfzig, wurde von seiner zierlichen blonden Frau Virginia begleitet. Gemeinsam mit Jarrad, seinem Mitarbeiter Paul Lawrence – einem schlaksigen Mittvierziger – und Kendal nahmen sie zunächst in der eleganten Lounge Platz, um einen Aperitif einzunehmen.
Die Forsters, davon unterrichtet, dass sich etwas mit dem Sohn der Gastgeber zugetragen hatte, brachten ihre Anteilnahme zum Ausdruck und bedankten sich bei Kendal, dass sie trotz des Ausnahmezustands ihren Gatten an diesem Abend begleitete.
Jarrad fand gefällige Worte und strahlte eine beneidenswerte Ruhe aus, die sich auch auf Kendal übertrug, was ihr wiederum ermöglichte, Kräfte zu mobilisieren, um diesen Abend zu überstehen.
Was ihr sicher etwas leichter gefallen wäre, wenn nicht wenige Minuten später Lauren aufgetaucht wäre. In einem kaffeebraunen Hosenanzug aus Seide, der farblich wunderbar mit ihrem kurzen hellblonden Haar korrespondierte, wirkte sie so chic und selbstbewusst wie immer. Um den Hals trug sie eine eng anliegende Perlenkette. Sie wirkt perfekt und
sophisticated
– da kann ich nicht mithalten, dachte Kendal, als sie von Lauren freundlich gegrüßt wurde, doch vielleicht komme ich ja noch dorthin, ist Lauren doch rund sechs Jahre älter als ich.
Kendal hatte auf einem der niedrigen Sessel neben Jarrad Platz genommen. Sie zuckte zusammen, als Lauren ihn grüßte und sich auf den leeren Sessel zu seiner anderen Seite setzte, nachdem sie die amerikanischen Gäste mit kräftigem Händeschütteln begrüßt hatte. Lauren schien als Verkaufsleiterin das Ehepaar von früheren geschäftlichen Treffen bereits zu kennen. Doch als Dwight Forster fast unmerklich die Stirn runzelte und sein Blick dabei von Kendal zu Lauren schweifte und dann wieder zurück auf Kendal, da fragte sie sich doch, was diesem Mann wohl gerade durch den Kopf ging. Vielleicht, dass Lauren besser zu Jarrad als Ehefrau passen würde? Kendal spürte einen kräftigen Stich von bitterer Eifersucht.
“Hallo”, erwiderte Jarrad knapp Laurens Begrüßung, und Kendal fragte sich, ob er es wohl gerade als Anstrengung empfand und es bedauerte, sich ihretwegen Lauren gegenüber so reserviert verhalten zu müssen. Und konnte Lauren es wohl gut ertragen, ihn, den sie so anhimmelte, wieder zusammen zu sehen mit seiner – noch – Ehefrau?
Kendal bekam nicht mit, was Lauren als Nächstes zu Jarrad sagte, denn gerade erhob sich die Gruppe und wechselte an einen festlich gedeckten Esstisch, woraufhin der Kellner die Speisekarte brachte.
Kendal verspürte keinen Appetit. Gleichgültig bestellte sie die “Empfehlung des Küchenchefs”. Dass dies Rebhuhn war – nicht gerade ihr Leib- und Magengericht –, war ihr einerlei. Höflich bemühte sie sich, an den Tischgesprächen teilzunehmen und zwischendurch ein paar Bissen ihres – wie sie zugeben musste, eigentlich vorzüglichen – Essens zu kauen.
“Ich weiß, was für eine Tortur das für dich hier ist”, vernahm sie plötzlich Jarrads tiefe Stimme dicht an ihrem Ohr. “Aber du hältst hervorragend durch.”
Hervorragend! Dabei – was mache ich hier bloß? Wo doch mein Kind verschollen ist …!
Kendal atmete tief durch. Wie furchtbar das war! Doch da spürte sie unter dem Tisch Jarrads warme Hand auf ihrem Oberschenkel; sie loderte durch den dünnen Seidenstoff ihres Rockes. Doch schon hatte Jarrad seine beruhigende Hand auch wieder weggezogen und legte den Arm auf Kendals Stuhllehne.
Eines aber musste Kendal zugeben. Sollte Jarrad immer noch romantische Gefühle für seine Verkaufsleiterin hegen, so ließ er sich davon an diesem Abend zumindest nichts anmerken. Im Gegenteil, er kümmert sich um mich in einer Weise, die mich an alte gemeinsame Zeiten erinnert, dachte Kendal. Und selbst wenn sie es durchschaute, dass er wahrscheinlich nur deshalb so aufmerksam und nett ihr gegenüber war, weil sie momentan wegen Matthew eine so schreckliche Zeit durchmachte, so lief sie doch Gefahr, so wie früher seinem Charme und seiner magnetischen Anziehungskraft zu erliegen und sich aufs Neue extrem verletzlich zu machen, wenn sie nicht aufpasste.
Das aber darf nicht wieder passieren! schwor sie sich. Doch da bekam sie mit, dass sich das Tischgespräch mittlerweile um Jarrads Verkaufsleiterin drehte.
“Lauren schafft es auch ohne mein Zutun, den nötigen Schriftsatz aufzusetzen”, verkündete Jarrad gerade im Ton felsenfester Überzeugung und ließ dabei seinen Arm lässig von Kendals Stuhllehne gleiten. “Bisher hat es
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