JULIA EXTRA BAND 0262
einer kleinen Taverne verabredet, etwas abseits vom regen Treiben in der Nähe des Jachthafens. Sie lag in einer ruhigen Seitengasse mit eng stehenden Häusern, an deren weiß gekalkten Wänden sich leuchtendrote Bougainvillen emporrankten.
Doch jetzt, als sie an einem der rot-weiß eingedeckten rustikalen Holztische vor dem kleinen Lokal saß und auf Lysander wartete, fragte sich Eleni beklommen, ob es überhaupt richtig war, sich noch einmal mit ihm zu treffen.
Heute, auf dem Boot, hatte sie eine der intensivsten sexuellen Erfahrungen ihres Lebens gemacht. Sie war bereit gewesen, sich Lysander ohne zu zögern hinzugeben, und hatte auf seine Annäherungen mit einer Intensität und Leidenschaft reagiert, die sie immer noch verstörte. Allein der Gedanke an ihre Hemmungslosigkeit trieb heiße Röte in ihre Wangen.
Er würde ihr unweigerlich das Herz brechen. Eleni machte sich keinerlei Illusionen darüber, welcher Art Lysanders Interesse an ihr war, und dass er sie fallen ließ, sobald seine Neugier und sein sexueller Hunger gestillt waren. Und dieser Zeitpunkt würde schnell kommen, wenn sie nicht aufpasste.
Sie selbst war keine Frau, die eine derartige Erfahrung so einfach zu den Akten legen und wieder zum normalen Tagesgeschehen zurückkehren konnte, diese Erkenntnis vertiefte sich in ihr von Minute zu Minute.
Nie hatte sie Polly mehr vermisst als in diesem Moment … oder ihre Mutter. Wem sollte sie ihre Zweifel, ihre Träume und ihre Hoffnungen anvertrauen? Polly war tot, ihre Eltern hatten sie betrogen, und nach ihrer leiblichen Mutter war sie erst seit kurzem auf der Suche. Ebenso wie auf der Suche nach sich selbst – der echten Eleni Dane, von der bisher nur ein Schatten existierte.
Der Kellner, ein attraktiver junger Beau, wie offenbar die meisten Männer hier, ließ sie keine Sekunde aus den Augen und schien sich zunehmend mehr Chancen auszurechnen, je länger Eleni ohne Begleitung blieb. Die Speisekarte hatte sie mit einem freundlichen Lächeln zurückgewiesen und erklärt, sie warte noch auf einen Bekannten. Doch der smarte Grieche lächelte so selbstbewusst und wissend, dass Eleni sich fragte, ob er ihre Worte vielleicht für eine Ausrede oder, schlimmer noch, für einen ungeschickten Versuch hielt, mit ihm zu flirten.
Eleni seufzte verhalten und fragte sich, ob es nicht das Beste wäre, einfach aufzustehen und zu gehen, ehe Lysander auftauchte. Was konnte ihr eine unglückliche Liebesbeziehung für die Zukunft nützen, so reizvoll der verwegene Gedanke ihr zwischendurch auch immer wieder erschien?
Sie war hierhergekommen, um die Heimat ihrer Mutter kennenzulernen, sich mit ihrer Sprache und Kultur vertraut zu machen und nach ihren eigenen Wurzeln zu suchen. So etwas tat man am besten allein, ohne Ablenkung, welcher Art auch immer.
Lysander würde ihr bestimmt nicht lange nachtrauern. Sicher wäre er anfangs gekränkt, verärgert oder in seinem männlichen Stolz getroffen. Aber er würde keine Schwierigkeiten haben, andere hübsche Touristinnen zu finden, die nur zu willig und bereit wären, einige heiße Tage und Nächte mit dem attraktiven und charmanten Fotografen zu verbringen.
Unversehens fühlte Eleni brennende Eifersucht in sich aufsteigen und stieß unwillkürlich einen empörten Laut aus, der den smarten Kellner sofort wieder auf den Plan rief. Doch ehe er ihren Tisch erreichen konnte, war sie bereits aufgesprungen.
„Sie verlassen uns, ohne auch nur einen Bissen gegessen zu haben?“, fragte er in holperigem Englisch.
„Ich … ich habe plötzlich Kopfschmerzen bekommen“, log sie. „Falls mein Bekannter noch kommt, würden Sie ihm bitte ausrichten, dass ich in mein Hotel zurückgegangen bin, um mich hinzulegen? Sein Name ist Lysander.“
„Okay, ich werde es ausrichten. Vielleicht kommen Sie ja morgen noch mal?“
„Vielleicht.“
„ Andeeo … auf Wiedersehen.“
„Auf Wiedersehen.“
Hastig eilte Eleni die schmale Gasse entlang, ehe Lysander ihr über den Weg laufen konnte. Sie hatte keine Lust, die Erklärung für ihren Rückzug in aller Öffentlichkeit abzugeben.
Erst nach und nach drang das laute Klopfen an der Tür in Elenis Bewusstsein. Ihre Lüge mit den Kopfschmerzen war längst keine mehr gewesen, als sie schließlich ihr Hotel erreicht hatte. In voller Kleidung hatte sie sich auf ihr Bett geworfen und die pochenden Schläfen massiert. Dann musste sie eingenickt sein.
„Wer ist da?“, fragte sie mit belegter Stimme. Noch bevor der unsichtbare Besucher
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