JULIA EXTRA BAND 0262
verbarg. Auf jeden Fall kam er zu dem Schluss, dass sein Körper dringend eine Abkühlung brauchte, wenn er diese scheue englische Rose nicht noch mehr verschrecken wollte, als er es ohnehin offensichtlich tat.
Natürlich war auch Nikos, seinem griechischen Freund, Elenis atemberaubende Figur während ihrer Segeltour aufgefallen, das hatte er unschwer an dem Glühen in den dunklen Augen ablesen können. Aber welchem Mann aus Fleisch und Blut würde es auch anders ergehen? Trotzdem hatte es ihn geärgert und … eifersüchtig gemacht.
Unsinn! Was für einen Grund hätte er zur Eifersucht? Er kannte Eleni doch kaum, und sie gehörte ihm nicht. Aber hoffentlich auch keinem anderen!
Während Lysander aufs Wasser zustrebte, fragte er sich, warum er mit Eleni nicht an einen mondäneren Strand als diesen gefahren war, wo es für sie mehr zu sehen und erleben gab, aber da hätte er sie auch mit anderen Menschen teilen müssen – vor allem wohl mit anderen Männern!
Außerdem bestand dort die Gefahr, dass man ihn erkannte. Und das wollte er um jeden Preis vermeiden. Zu sehr genoss er die Aufmerksamkeit und das Interesse der liebenswerten Engländerin, die dem Fotografen Lysander und nicht dem schwerreichen Reeder Lysander Rosakis galten.
So brauchte er Eleni auch nicht zu erklären, dass sie die Abgeschiedenheit und Privatsphäre dieses Strandparadieses allein seiner Mitgliedschaft in einem sehr exklusiven Club verdankten, dem diese Bucht gehörte.
Er wollte einfach mit dieser wunderschönen jungen Frau, deren Natürlichkeit und Neugier aufs Leben ihn so ungeheuer faszinierten, zusammen sein und sie nicht noch mit anderen teilen müssen. Eleni schenkte ihm in kürzester Zeit mehr Lebensfreude, als seine Familie und Freunde es in Jahren vermocht hatten.
Sie war eingeschlafen. Behütet vor der gleißenden Sonne unter dem ausladenden Strohschirm, ruhte Eleni entspannt auf ihrer Liege, das offene Buch auf dem Schoß. Doch die Sonne war inzwischen gewandert und brannte auf Füßen und Unterschenkeln. Nur widerwillig öffnete sie die Augen, zog die Beine an und schaute benommen um sich.
Sie hatte von ihrer Mutter geträumt. Ihre Gesichtszüge waren verschwommen, aber das dichte, lange schwarze Haar war das gleiche wie Elenis. Die fremde und gleichzeitig so vertraute Gestalt redete mit ihr wie mit einem kleinen Kind – in einem zärtlichen, liebevollen Ton und einer Sprache, die Eleni nicht verstand.
Doch als sie erwachte, verspürte Eleni eine schmerzhafte Sehnsucht nach der griechischen Frau und fragte sich mit zuckendem Herzen, ob sie ihr wohl je begegnen würde. Ob ihre Mutter vielleicht sogar aus dieser Gegend stammte? Hatte sie früher mit ihren Freunden in einer ähnlichen Bucht wie dieser gelacht, gescherzt und geflirtet? Oder war ihr tägliches Leben ebenso mühsam verlaufen wie bei der Frau von Lysanders Fotografie?
Eleni zog die Flasche mit Mineralwasser aus ihrer Tasche und nahm einen großen Schluck. Leider war es längst nicht mehr so kühl und erfrischend wie erhofft. Gedankenverloren starrte sie hinaus auf die glitzernde Wasserfläche.
Was hatte ihre arme Mutter nur dazu veranlasst, ins kalte England zu reisen, dort ihr Kind zu bekommen und auszusetzen? Ihre Adoptiveltern hatten erzählt, dass die Polizei noch lange nach der unglücklichen Frau suchte – aber vergeblich. Sie blieb spurlos verschwunden.
Was Eleni am meisten zu schaffen machte, war der Gedanke, dass ihre Mutter nach der Geburt vielleicht ärztliche Hilfe benötigte und diese nicht bekam. Ob es überhaupt irgendjemanden gegeben hatte, der ihr half und sie auffing nach dieser privaten Tragödie? Wo war ihr Liebhaber geblieben, der Mann, der ihr, Elenis, leiblicher Vater war? Was mochte ihn davon abgehalten haben, der Frau seines Herzens zur Seite zu stehen? Einen Ehemann gab es damals bestimmt nicht, davon war Eleni fest überzeugt, denn der hätte seine Frau in einer derart verzweifelten Situation sicher nicht im Stich gelassen.
Sie war so tief in Gedanken versunken, dass sie Lysander erst bemerkte, als er direkt neben ihr stand. Wenn ihm ihre Traurigkeit und Verstörtheit auffiel, so ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen starrte er stirnrunzelnd auf ihre stark geröteten, unbedeckten Beine.
„Komm zurück aufs Boot“, sagte er knapp. „Du musst unbedingt eine Weile aus der Sonne raus und brauchst sicher auch einen erfrischenden Drink.“ Missbilligend schüttelte Lysander den Kopf. „Du hast dich verbrannt.“ Behutsam
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