JULIA EXTRA BAND 0272
… Oh, der Mann, der bei der Schlacht am Kings Mountain dabei war?“
„Ja. Mir ist klar, dass das Ganze über zweihundert Jahre zurückliegt. Doch Tansy ist mir inzwischen vertraut geworden. Wir beide haben viel gemein gehabt. Ihr Ehemann ist ebenfalls in gefährlicher Mission unterwegs gewesen, und sie hatsich genauso einsam und allein gefühlt wie ich. Ich dachte, er würde heimkehren wie du. Stattdessen endet das Tagebuch mit der Feststellung, dass er tot ist. Ich muss unbedingt herausfinden, wie es mit ihr weitergegangen ist.“
Sie versuchte, die Tränen fortzublinzeln, die ihr unerwartet in die Augen traten, aber die Parallele war zu stark. Tansys Mann war von zu Hause aufgebrochen und nicht mehr zurückgekommen. Jahrelang hatte sie, Cath, sich genau davor gefürchtet. Sie hatte Angst gehabt, dass Jake während einer seiner beruflichen Einsätze sterben könnte.
Und dennoch hatte sie vor, sich von ihm zu trennen, ihn für immer aus ihrem Leben zu verbannen. Wollte sie das wirklich?
„Hey, mein Schatz, ist ja schon gut.“ Jake schob einen Karton beiseite und hockte sich neben sie. Behutsam wischte er ihr die Tränen fort. „Es ist traurig, dass er tot ist, doch es ist schon sehr lange her. Und du wusstest, dass er es war.“
„Ja. Allerdings nicht, dass Tansy ihn so früh verloren hat. Was ist aus ihr geworden? Oh, Jake, es ist nicht gerecht. Die Menschen sollten sich verlieben, heiraten und für immer miteinander glücklich sein dürfen. Keiner sollte den anderen zurücklassen müssen. Ich glaube, sie war erst um die zwanzig. Was hat sie ihr restliches Leben ohne Jonathan getan? Sie muss ihn unendlich geliebt haben.“
Wieder rollten ihr Tränen über die Wangen. Sie weinte um das junge Ehepaar von einst und um Jake und sie. Wie waren sie nur in diese schwierige Lage geraten? Sie sehnte sich nach Liebe, einer Familie und einem Mann, der jeden Abend in ein sicheres, gemütliches Zuhause zurückkehrte.
Jake setzte sich auf den Boden, zog Cath auf den Schoß und hielt sie zärtlich fest. „Wir sehen mal, ob wir weitere Tagebücher entdecken. Falls nicht, könnten wir versuchen, über die örtliche Historikervereinigung oder aus alten Kirchenbüchern etwas über ihr Schicksal in Erfahrung zu bringen. Irgendwie schaffen wir es, mehr über die beiden herauszufinden.“
„Sie sind in gewisser Weise so gewesen, wie wir es sind.“ Eng schmiegte sie sich an ihn und fühlte sich in seinen Armen sicher und geborgen. Sie war unendlich traurig wegen Tansy und auch ihretwegen. Wie hatte die junge Frau den Verlust verkraftet? Sie, Cath, konnte sich nicht vorstellen, dass sie weitermachen wollte, würde es Jake nicht mehr auf der Welt geben.
Und trotzdem strebte sie die Scheidung an! Verwirrt, verletzt und bekümmert lag sie an seiner Brust. Könnte sie die Zeit anhalten, würde sie es genau jetzt tun.
„Es wird allmählich kühl, Cath. Lass uns nach oben gehen und uns am Kaminfeuer aufwärmen“, meinte Jake, als ihre Tränen langsam versiegten und sie sich wieder beruhigte. „Wir könnten etwas essen und darüber reden, wie wir mehr über Tansy und ihren Mann herausbekommen.“
Am liebsten hätte sie sich noch eine Ewigkeit nicht von der Stelle gerührt. Aber sie war auch nicht diejenige, die auf dem schmutzigen, kalten Boden saß. Widerwillig stand sie auf und blickte zu den zahlreichen Kartons hin.
„Ich hatte gedacht, dass Tansy vielleicht ein neues Tagebuch begonnen hat. Eines, das keine so schmerzlichen Erinnerungen birgt wie dasjenige, das ich gelesen habe. Möglicherweise hat sie jedoch auch gar keines mehr geschrieben.“
„Es dürfte Wochen dauern, all diese Kisten durchzusehen“, erwiderte Jake, während er sich erhob. „Und wie du schon gesagt hast, kann es sein, dass sie kein weiteres angefangen hat. Lass uns erst auf andere Weise versuchen, Licht ins Dunkel zu bringen.“
„Ja, und wenn wir nichts herausgefunden haben, werde ich im Sommer jeden Karton im Keller durchstöbern. Ich muss wissen, was geschehen ist.“
Sie hoffte zu erfahren, dass Tansy weitergemacht und es geschafft hatte, mit einem anderen Mann wieder glücklich zu werden und eine Familie zu gründen, an der sie noch als Großmutter Freude gehabt hatte. Das wünschte sie ihr – und sich. Sie wollte eine Art Bestätigung dafür haben, dass es auch ihr gelingen würde, ans Ziel ihrer Träume zu kommen, und sie nach der Scheidung nicht ihr restliches Leben traurig und allein sein würde.
„Hat deine Tante einen
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