JULIA EXTRA BAND 0274
weitergeht, können wir bald zumachen.“
Seine Worte schnitten Lily ins Herz. Gerard hatte sein ganzes Leben lang so hart gearbeitet. Jetzt deutete alles darauf hin, dass alles umsonst gewesen war.
„Es wird schon aufwärtsgehen“, versicherte sie ihm, wohl zum hundertsten Mal. Doch allmählich glaubte sie selbst nicht mehr daran.
Wegen ihrer Stelle machte sie sich keine Sorgen. Lily konnte jederzeit woanders anfangen. Hin und wieder hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, eine Weile nach Europa oder Japan zu gehen. Bei Gerard lagen die Dinge hingegen anders: Das Montclair war sein Ein und Alles, das bewiesen die perfekt durchdachten Details. Allein sich vorzustellen, dass er gezwungen sein könnte, das Hotel zu schließen – Lily fand es unerträglich.
„Hoffen wir das Beste“, antwortete er. „Bisher haben wir es noch immer geschafft.“
Lily nickte stumm. Plötzlich klingelte das Telefon am Empfang. „Bitte entschuldigen Sie mich, die Pflicht ruft.“
„Das hört man gern“, erwiderte er.
Sie nahm den Hörer ab und meldete sich freundlich. Es war Stephan, Prinz Conrads Bodyguard, der Einzelheiten über die Sicherheitsvorkehrungen im Hotel wissen wollte. So gut sie konnte, informierte sie ihn. Im Verlauf des Gesprächs erfuhr sie außerdem, dass nicht der Prinz sich Sorgen machte. Wenn es nach ihm ginge, könnte auf jegliche Art von Maßnahmen verzichtet werden. Nur aus Achtung vor seinem verstorbenen Vater, der diese Meinung nicht vertreten hatte, reiste Prinz Conrad in Begleitung von Leibwächtern.
Lily versicherte mehrmals, dass das Hotel ausreichend überwacht wurde. Damit traf sie bei Stephan jedoch auf taube Ohren. Schließlich gab sie ihm den Namen eines Privatunternehmens, wo er zusätzliche Überwacher anfordern konnte. Die Sicherheit des Kronprinzen von Belorien hatte Vorrang. Auch wenn Lily der Gedanke an eine Armee von Gorillas im Montclair sehr widerstrebte.
Danach erhielt Lily kurz hintereinander noch drei Anrufe.Lady Ann wollte etwas zum Knabbern. Kiki von Elsbon erfragte den Namen des Managers eines Kaufhauses, wo man sie, natürlich völlig grundlos, des Ladendiebstahls bezichtigte. Sie hatte lediglich versäumt, einen Kaschmirschal nach dem Anprobieren auf den Ladentisch zurückzulegen. Schließlich schilderte Portia Miletto ihre Sorgen am Telefon. Die wohlhabende junge Italienerin glaubte, ihr elektronisches Adressbuch in einem Taxi vergessen zu haben.
Als Lily nach mehreren Telefonaten und gegen Bezahlung einer erklecklichen Belohnung das kostbare Stück zurückbekam, war der Nachmittag fast vorbei – und sie selbst am Ende ihrer Kräfte. Das änderte sich aber schlagartig, weil Prinz Conrad anrief und sie für einige Minuten zu sich bat. Mit frischer Energie machte sie sich auf den Weg zu seiner Suite.
„Da sind Sie ja. Danke, dass Sie gekommen sind“, sagte er, nachdem er auf ihr Klopfen die Tür geöffnet hatte.
„Was kann ich für Sie tun, Hoheit?“
Schweigend betrachtete er sie, bevor er unerwartet fragte: „Wie wäre es mit einem Drink?“
Lily zögerte – damit hatte sie nicht gerechnet. Einladungen dieser Art waren ihr zwar nicht neu. Sie verstand es, sie geschickt und taktvoll abzulehnen. Allerdings kamen derlei Vorschläge im Allgemeinen von älteren und bei Weitem nicht so attraktiven männlichen Gästen.
Da ihm ihre Überraschung nicht entging, fügte er hinzu: „Wollen Sie nicht eintreten? Ich möchte Sie um etwas bitten.“
„Gern. Womit kann ich Ihnen helfen?“
Er zeigte auf das Sofa. „Bitte nehmen Sie Platz.“ Mit langen Schritten ging er an die Hausbar und kam mit einem Glas Champagner zurück.
Ablehnend schüttelte Lily den Kopf. „Danke, nicht wenn ich im Dienst bin.“
„Ich verstehe.“ Er stellte das Glas ab und nahm zwei kleine Flaschen des Mineralwassers aus dem Kühlschrank, das die Prinzessin angefordert hatte. „In der Regel sagen Frauen nicht Nein zu Champagner“, bemerkte er und deutete ein Lächeln an.
„Besonders wenn er von Ihnen kommt“, platzte sie heraus.
Der Prinz musterte sie nachdenklich. „Ich habe das Gefühl, dass meine … hm … Position Sie nicht sonderlich beeindruckt, Ms. Tilden.“
„Für mich sind alle Gäste gleich.“
Er lachte. „Bravo, Ihre Offenheit ist erfrischend.“
Bei seinem Kompliment errötete sie. „Um was geht es, Hoheit?“
Sofort wurde er wieder ernst. „Es ist etwas … heikel“, begann er. „Wenn ich nicht irre, sprachen wir gestern Abend über Diskretion. Das, um was
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