JULIA EXTRA BAND 0274
hinterlassen?“
Meinte er alle Anruferinnen? Das machte einen Unterschied. Oder nicht?
„Also gut. Ich werde mein Möglichstes tun.“
Er nickte. „Ich verlasse mich ganz auf Sie.“
Sie zögerte einen Moment. Als Concierge stand ihr so eine Frage natürlich nicht zu. Trotzdem konnte Lily sie nicht zurückhalten. „Behandeln Sie Ihre Freundinnen immer so, wenn Sie kein Interesse mehr an ihnen haben?“
Daraufhin lachte er kurz auf. „Und Sie, Ms. Tilden? Sprechen Sie mit Ihren Gästen immer in diesem Ton?“
„Das kommt ganz darauf an.“
„Sehen Sie? Mir geht es ebenso.“
„ Touché. Sie gewinnen. Wie gesagt, ich werde tun, was ich kann.“ Sie war ihm nicht gewachsen. Wie sie auch argumentierte, er blieb der Stärkere. Um die Suite zu verlassen, stand Lily auf. Doch er hielt sie zurück.
„Ich habe auch eine Frage, Ms. Tilden.“
„Bitte.“
„Sind Sie, wenn ein Gast Sie um etwas bittet, immer so abweisend?“
Sie lächelte. „Nein. Aber ich trage nicht gern dazu bei, einem Menschen das Gefühl zu geben, dass er – oder sie – unerwünscht ist.“
Sekundenlang herrschte Schweigen, bevor er erwiderte: „So betrachtet, klingt es eher bewundernswert.“
„Danke. Wünschen Sie sonst noch etwas, Hoheit?“
„Das ist alles.“
„Gut. Bitte zögern Sie nicht, wenn Sie etwas brauchen.“ Wie automatisch wiederholte sie die übliche Floskel. Anschließend ging Lily, unzufrieden mit sich und der Welt. Was war nur mit ihr los? Ständig kamen Gäste mit seltsamen Anliegen auf sie zu, und bisher hatte sie das noch nie gestört. Außerdem war es keine größere Sache. Wie kam es dann, dass Lily das Ganze so unangenehm erschien? Sie mochte Brittany Oliver nicht einmal.
Sie hatte viel zu persönlich reagiert, unprofessionell – es war geradezu lächerlich.
Auf dem Weg ins Büro sagte sie sich, dass seine Bitte, Brittany zu belügen, nicht ihr Berufsethos, sondern ihre weiblichen Instinkte verletzte. Andererseits war Lily hundertprozentig davon überzeugt, dass die Schauspielerin ebenfalls gelogen hatte. Bestimmt spielte sie den Fotografen bewusst Informationen zu.
Welche Lüge wog schwerer – Brittanys oder Prinz Conrads?
Nein, erkannte Lily, das Problem liegt woanders: Er bittet mich, ihm bei seinem Betrug zu helfen. Und dazu hat er kein Recht.
Am nächsten Morgen stand das Telefon nicht still: Prinzessin Drucille und Lady Ann orderten eine Kosmetikerin, eine Masseurin und später eine private Modenschau in ihre Suite. Stephan bestellte belegte Brote für sich und seinen Kollegen. Die Bewachung ihrer hochwohlgeborenen Schützlinge ließ ihnen keine Zeit, um zu Tisch zu gehen.
Auch Kiki von Elsbon gab keine Ruhe. Immer wieder rief sie unter den fadenscheinigsten Vorwänden an, um etwas über Prinz Conrad zu erfahren: in welchem Restaurant erspeiste, wo er den Nachmittag verbrachte, wer ihm Gesellschaft leistete … Es war direkt komisch. Unter anderen Umständen hätten die Manöver der Baroness Lily köstlich amüsiert. Im Moment war sie dafür jedoch zu beschäftigt.
Am Nachmittag machte sie sich auf, um Mrs. Dorbrook, dem Dauergast des Montclair, einen Besuch abzustatten. Lily mochte Bernice: Sie war eine typische Amerikanerin, die mit beiden Beinen im Leben stand und kein Blatt vor den Mund nahm. Sie hatte mehrere reiche Ehemänner überlebt und war in ihrem Leben vielen bekannten Persönlichkeiten und Filmgrößen begegnet. Darum erzählte sie oft von den faszinierendsten Begebenheiten. Nichts genoss Bernice mehr als einen gemütlichen Plausch mit ein bisschen Klatsch.
Lily zuckte mit keiner Wimper, als ihre Freundin sie mit den Worten empfing: „Wie ich höre, haben wir diese Woche hohen Besuch – Prinz Conrad von Belorien! Wie interessant!“
Anschließend sah sie sich misstrauisch um und schloss die Tür hinter Lily.
4. KAPITEL
Lily lächelte nachsichtig. „Ja. Seine Hoheit wohnt auf Ihrer Etage.“
Bernice klatschte in die Hände. „Erzählen Sie mir von ihm!“
„Da gibt es nichts zu erzählen“, erwiderte sie abweisend.
„Oho! Er hat es Ihnen wohl angetan, wie?“
„Wie kommen Sie denn darauf, Bernice?“
„Mir können Sie nichts vormachen, Lily. Wir kennen uns beinahe fünf Jahre. Und so wie jetzt habe ich Sie noch nie gesehen. Dafür gibt es meiner Ansicht nach nur zwei Erklärungen: Entweder haben Sie eine Schwäche für ihn, oder er geht Ihnen auf die Nerven.“
Sie hat recht, dachte Lily verblüfft. Normalerweise ließ sie sich durch nichts aus der
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