JULIA EXTRA BAND 0274
geduscht und sich angezogen hatte, verließ sie die Wohnung. Es bestand kein Grund, den Chauffeur unnötig warten zu lassen.
Auf der Straße umstand eine Horde von Nachbarskindern den luxuriösen Wagen. Gebannt lauschten die Mädchen und Jungen dem Fahrer, der ihnen stolz beschrieb, wie schnell er damit fahren konnte und wie cool es war, am Lenkrad zu sitzen. Als er Lily erblickte, räusperte er sich verlegen und legte die Hand an die Uniformmütze. „Wann immer Sie wollen, Ms. Tilden.“
Sie lachte. „Kein Grund zur Eile. So etwas bekommen sie hier nicht oft zu sehen. Erzählen Sie ruhig weiter.“
Erleichtert grinste er und beendete seinen Vortrag. Anschließend öffnete er die Wagentür, um sie einsteigen zu lassen, und setzte sich hinters Steuer. Die Kinder schauten ihnen nach, während das fünf Meter lange Prunkstück davonfuhr.
Lily lehnte sich in die weichen Polster zurück. Sie hatte das Gefühl, in einer Gondel über den Canale Grande in Venedig zu gleiten, nicht die kleinste Unebenheit war zu spüren. In kürzester Zeit erreichten sie auch schon das Hotel. Als Lily aussteigen wollte, eilte zu ihrer Überraschung Prinz Conrad herbei, um ihr behilflich zu sein.
Im nächsten Augenblick waren sie von einer Schar von Fotografen umringt, und ein regelrechtes Blitzlichtgewitter ging auf sie nieder. Conrad neigte sich zu ihr und küsste sie auf die Wange. Den Bruchteil einer Sekunde versteifte sie sich. Doch dann erinnerte sie sich an ihre Rolle und tat ihr Bestes, sich von den Reportern und Fotografen nicht aus der Fassung bringen zu lassen.
„Hierher schauen, bitte.“
„Wie heißen Sie?“
„Ist das Ihre neue Freundin, Prinz Conrad?“
„Wer ist sie?“
Er legte den Arm um ihre Schulter. „Das ist Lily Tilden. Sie begleitet mich am Samstag auf den Benefizball im Starlight Room.“
„Wie ernsthaft ist Ihre Beziehung zu Ms. Tilden?“
„Wir sind befreundet, weiter nichts.“
Wie oft hatte Lily diesen Kommentar im Fernsehen gehört und nie geglaubt!
„Kennen Sie Seine Hoheit schon lange, Ms. Tilden?“, fragte einer der Reporter.
„Nein, wir sind uns hier begegnet“, erwiderte sie nonchalant. Es erstaunte sie, wie leicht ihr die Antwort über die Lippen kam.
„Vergessen Sie nicht, unsere Webseite in Ihrem Artikel zu erwähnen“, sagte der Prinz.
„Es ist eine sehr bedeutende Stiftung“, fügte Lily hinzu und sah Conrad an.
Er lächelte ihr zu, dann betraten sie das Hotel, gefolgt von den Blicken und Blitzlichtern der Reporter. Sie gingen sofort in seine Suite, wo sie sich aufatmend auf die Couch fallen ließ.
„So also sieht der Alltag eines Prinzen aus“, seufzte sie. „Wie ertragen Sie das bloß?“
„In achtunddreißig Jahren hatte ich ausreichend Gelegenheit, mich daran zu gewöhnen.“
„Ihre Ruhe ist bewundernswert, das muss ich sagen. Allein hätte ich das nie geschafft.“
„Zum Glück brauchen Sie das auch nicht.“
„Das will ich hoffen.“ Sie legte den Kopf zurück und sah zur Decke. „Offen gesagt, um so etwas oft für einen Mann zu ertragen, müsste ich bis über beide Ohren in ihn verliebt sein.“ Weil sie ihn nicht kränken wollte, fügte Lily eilig hinzu: „Das war natürlich nicht persönlich gemeint. Ich bin sicher, es gibt viele Frauen, denen es nichts ausmacht.“
Conrad lachte. „Tja, die müssen verrückt sein.“
„So schlimm war es auch wieder nicht.“
„Sie fanden es schrecklich.“
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen.
„Ja“, gestand sie schließlich, „mir gefiel es nicht besonders. Das liegt nur daran, dass ich nicht gern im Mittelpunkt stehe, im Gegensatz zu den meisten meiner Geschlechtsgenossinnen. Wenn ich an bestimmte Fernsehprogramme denke … Manche Frauen tun wirklich alles, nur um ein paar Minuten im Scheinwerferlicht zu stehen.“
„Ich weiß“, meinte er trocken. „Einigen von ihnen bin ich begegnet.“
Taktvoll überging Lily den Kommentar. Sie ahnte, an wen er dachte: Prinzessin Drucille, ihre Tochter und vielleicht auch Lady Penelope. „Wie können Sie unter solchen Umständen die Frau fürs Leben finden?“, fragte sie ihn stattdessen.
Wie immer überraschte ihn ihre Offenheit. „Keine Ahnung. Wie Sie wissen, bin ich noch ledig.“
„Und wollen Sie das bleiben?“ Sie wusste nicht, woher sie den Mut nahm, ihm derart persönliche Fragen zu stellen. Es interessierte sie einfach, sie wollte es wissen.
„Nein“, erwiderte er. „Wenigstens hoffe ich das nicht. Irgendwann habe ich bestimmt die
Weitere Kostenlose Bücher