JULIA EXTRA Band 0276
…
„Ich weiß, wie weh ich dir getan habe, Louise. Und erkenne erst allmählich, wie sehr mir mein falscher Stolz im Wege steht. Darüber hätte ich dich beinahe verloren. Aber ich bin der Einzige, der die Schuld daran trägt, dass du erst jetzt von der Adoption erfahren hast, nicht deine Mutter. Bitte hör auf, sie zu bestrafen. Das Leben ist kurz und so unendlich kostbar. Wenn ich eines in den letzten Tagen gelernt habe, dann ist es das.“
Sie nickte. „Ich werde Mum anrufen, versprochen. Noch heute.“
Zufrieden wandte sich John an seinen Bruder. „Und wie stehst du zu diesem Thema?“
Robert, der die ganze Zeit geschwiegen hatte, sah ihn fragend an. „Welches Thema meinst du?“
„Dass das Leben kurz ist und wir nur eines haben.“
„Ich würde mich nicht darauf verlassen, eine zweite Chance zu bekommen“, gab er zu.
„Dann schlage ich vor, wir hören auf, längst vergangene Schlachten auszufechten, und genießen, was wir haben.“
Damit streckte er Robert die Hand entgegen.
Und Robert, ebenso Sohn seines Vaters wie John, nahm sie, aber dann schlugen seine italienischen Gene durch, und er umarmte seinen Bruder stürmisch, bis die Türklingel den Fotografen ankündigte.
Max konnte den Blick nicht von Louise wenden, als sie dem Fotografen erklärte, was genau sie von ihm erwartete. Absolut professionell. Einmal wandte sie sich zu ihm und bemerkte, dass er sie beobachtete. Da strich sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr und lächelte. Das Lächeln einer selbstbewussten Frau, und als sie sich an ihren Vater wandte, um ihm die Krawatte gerade zu ziehen, scherzte sie mit ihm.
Nachdem der Fotograf gegangen war und ihre Eltern die guten Vorsätze in die Tat umsetzten und gemeinsam essen gingen, blieben Louise und Max allein im Büro zurück.
„Ich sollte gehen“, sagte sie.
Nach all den entladenen Gefühlen fühlte sie sich aufgerieben. Außerdem hatte Max geschwiegen, als sie ihre Gefühle offen und ehrlich aussprach.
„Ich habe noch jede Menge zu tun, und die Zeit wird ziemlich knapp.“
„Eine Stunde wirst du doch erübrigen können“, bat er. „Nach dem heutigen Melodrama brauchen wir beide ein bisschen frische Luft. Als dein Boss schicke ich dich und mich für eine Stunde in den Park.“
„Du bist nicht mein Boss, Max.“ Louise nahm ihren langen Mantel von der Garderobe. „Du profitierst lediglich von meiner Mildtätigkeit.“
„Ich glaube, darüber müssen wir noch mal sprechen“, entgegnete er, ohne auf die Provokation einzugehen. „Der Kuss reichte als Entlohnung bis zum Vierzehnten, und du hast gute Arbeit geleistet. Jetzt müssen wir über die Zukunft sprechen. Was willst du haben, wenn du für immer unsere PR-Beraterin bleibst?“
Interessierte er sich nur aus diesem Grund für sie? „Ich bin sehr teuer.“
„Bestimmt können wir uns zur beidseitigen Zufriedenheit einigen.“
„Kein Rabatt für Familienangehörige“, schmetterte sie ihn ab. „Der Kuss war eine einmalige Verhandlungsgrundlage.“
Schweigend gingen sie kurz darauf im Park spazieren, und Louise hing ihren Gedanken nach.
„Ich habe dich absichtlich in den Park gelockt“, gab Max zu. „Hier ruft uns keiner an, und es gibt auch sonst keine Ablenkung.“
Louise runzelte die Stirn. „Worum geht es?“
„Ich will wissen, was mit dir und James Cadogan passiert ist.“
„James?“, fragte sie unbehaglich. „Der ist doch längst Geschichte.“
„Und doch taucht sein Name ständig auf.“
Louise machte eine wegwerfende Geste. „Ach, bitte, Max. Der Courier hat lediglich alten Tratsch aufgekocht, weil ihnen nichts Neues einfiel, und Dad hat sich beim Lesen des Artikels wieder an die Geschichte erinnert und daran, wie ich damals versagt habe. Roberts Tochter hat schließlich einen König geheiratet, und ich konnte nicht einmal einen Adligen halten. Dad hielt James nämlich für den perfekten Schwiegersohn.“
„Sicher nicht als Einziger“, bemerkte Max. „Am liebsten hätte ich ihm damals alle Knochen gebrochen.“
„Was meinst du, wie ich mich gefühlt habe, als du mit Sophie Blakiston ausgegangen bist? Was ist eigentlich aus ihr geworden?“
„Ich hatte nicht genug Zeit für sie, und dann hat sie einen Grafen geheiratet.“
„Du lernst auch nie aus deinen Fehlern, stimmt’s?“
Max zuckte mit den Schultern. „In meinem Vater habe ich auch nicht gerade ein gutes Vorbild. Was ist jetzt mit James Cadogan? Warum habt ihr euch getrennt, wo deine Mutter doch schon die
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