JULIA EXTRA Band 0281
irgendwie an Tess?“
„Nein. Maggie ist groß, schlank und anmutig wie eine Ballerina, Tess war doch eher ein kleiner Wildfang und ein bisschen rundlich. Vielleicht habe ich sie deshalb erwähnt, weil sie sich so für Kunst begeistert. Maggie ist Malerin.“
Alex zuckte nur die Schultern.
„Sie hat Mumm“, fügte Tom hinzu. „Und eine ziemlich scharfe Zunge. Ihre sarkastische Art hätte Tess gefallen.“
Ein bisschen Würze muss sein im Leben, dachte er und trank einen Schluck. Er und Tess hatten mehr Wert auf diese Würze gelegt als die meisten anderen Menschen, die er kannte. Die Wortgefechte mit ihr vermisste er immer noch. Täglich …
„Wie heißt die Lady doch gleich mit Vornamen?“, erkundigte Alex sich.
„Maggie. Wieso?“
„Ich sehe mal kurz nach, was im Internet über sie zu finden ist!“
Obwohl Tom sich wegen seiner Neugier insgeheim tadelte, ging er zu Alex und sah ihm über die Schulter.
„Aha! Sie ist entweder eine dreizehnjährige Meisterin im Skateboardfahren oder eine vierundneunzigjährige Pferdezüchterin in Irland.“
„Lass mich mal!“
Alex machte ihm Platz. „Das macht richtig Spaß“, bemerkte er.
„Du solltest eben öfter dein Haus verlassen“, riet Tom seinem Cousin, der nur nickte, und gab außer Maggies Namen den Begriff Malerin ein, dazu Melbourne.
Sofort lieferte der Computer nicht nur Informationen, sondern auch Fotos. Eins davon zeigte sie, noch keine zwanzig Jahre alt, neben einem Porträt in leuchtenden Farben, mit dem sie einen sehr renommierten Kunstpreis gewonnen hatte.
Ja, es war unverkennbar „seine“ Maggie Bryce, auch wenn er sie noch nie so strahlend hatte lächeln sehen.
„Donnerwetter“, sagte Alex hinter ihm. „Dieser Kunstpreis ist eine große Sache, richtig?“
„So ziemlich die größte in Australien“, bestätigte Tom und klickte weitere Fotos an. Auf denen sah sie so aus, wie er sie kannte: in Jeans und T-Shirt, einen Farbfleck auf der Wange. Und wieder lächelte sie strahlend.
„Sie ist nicht nur faszinierend, sie ist hinreißend schön“, bemerkte Alex beeindruckt.
Ja, das ist sie, gab Tom im Stillen zu und klickte weiter zu einem Bild, das sie bei einer Vernissage ihrer Werke zeigte. Dem dazugehörigen Text entnahm er die Preise, die sie für die Bilder bekommen hatte. Sie waren astronomisch. Alex verschluckte sich und musste sich ein neues Bier aus der Küche holen.
Auf den Fotos sah man Maggie den Reichtum an, der ihr ermöglicht hatte, sich ein Haus in Portsea zu kaufen. Ihr Haar war perfekt geschnitten, das Kleid war zwar schlicht und schwarz, aber äußerst elegant und sicher sehr teuer. Sie war schlank, aber nicht so dünn wie jetzt.
Und auf diesen Bildern lächelte sie schon nicht mehr. Ihre Augen blickten irgendwie traurig. Sie wirkte älter, besser gesagt erfahrener. Das Strahlen in den großen grauen Augen war irgendwie gedämpft.
Auf weiteren Fotos war sie nur noch im Hintergrund zu sehen, mit einem großen Mann mit grauen Schläfen, dem sie anscheinend aufmerksam zuhörte, wobei sie ihm die Hand auf den Arm legte.
Das genügte! Rasch schaltete Tom den Computer aus.
„Was soll das?“, protestierte Alex.
„Genug spioniert“, meinte Tom. „Du weißt jetzt, wie sie aussieht und dass sie eine berühmte Künstlerin ist. Das ist genauso viel, wie ich über sie weiß.“
„Was ich jetzt weiß, ist, warum sie dich aus der Ruhe bringt“, erwiderte sein Cousin. „Sie behandelt dich von oben herab, als wärst du nur Tom, der Mann für alles, stimmt’s?“
„Der bin ich ja inzwischen auch.“
„Hast du ihr gesagt, was du früher gemacht hast?“
„Nicht im Einzelnen, was auch daran liegt, dass sie im Haus malt und ich im Garten Sträucher schneide. Es gibt nicht viele Gelegenheiten zum Plaudern.“
Ich habe nie ein Hehl daraus gemacht, wie reich ich bin, dachte Tom. Seine Bekannten wussten es alle und fanden es ganz witzig, dass er sich jetzt auf das Wechseln von Glühbirnen beschränkte, statt sie zu Hunderten zu bestellen für die höchst diffizile und hoch spezialisierte Restaurierung historischer Gebäude, womit er sein Vermögen gemacht hatte.
Da alle wussten, dass er auf seinen Job nicht angewiesen war, scheute sich auch niemand, andere Handwerker zu bestellen oder Aufträge noch im letzten Moment zurückzuziehen. Ihm war es recht, wenn er unerwartet freie Zeit hatte.
Ja, es war ganz okay, dass man hier über seine Verhältnisse Bescheid wusste, aber es lag ihm nichts daran, sie
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