JULIA EXTRA Band 0281
besitzen. Was könnte sie Giovannis Geld und Einfluss schon entgegensetzen?
Also kehrte sie lediglich für einige Tage nach England zurück, um ihren dortigen Hausstand aufzulösen und Teri die Situation zu erläutern.
„Mein Glück ist mit Paolos unauflöslich verwoben, Teri. Und er freut sich auf den Umzug nach Italien. Er liebt seinen Papa abgöttisch … und genauso sollte es ja auch sein!“ Sie sagte es voller Überzeugung und verdrängte den verräterischen Wunsch, der tief vergraben in ihr schlummerte, dass Paolo einfach erklären würde, er wolle Giovanni nie wiedersehen. Es hätte das Leben für sie leichter gemacht.
Aber nein, Giovanni hatte entschieden … sie würden nach Neapel ziehen. Und egal, ob sie jetzt mit ihm schlief oder nicht, er würde an dieser Entscheidung festhalten. Indem sie sich fügte, konnte sie wenigstens einen Sorgerechtsstreit vermeiden.
Paolo war ganz aufgeregt und freute sich wahnsinnig, und Alexa war entschlossen, ihrem kleinen Sohn die Eingewöhnung in der neuen Umgebung so weit wie möglich zu erleichtern, ungeachtet ihrer eigenen Gefühle. Und bei ihrer Ankunft in Neapel, als Giovanni durch die ihr vertrauten, verwinkelten Straßen fuhr – vorbei an den Cafés, der Kathedrale, den Ausgrabungsstätten –, kehrte die Erinnerung daran zurück, wie sehr sie diese Stadt mit ihrem bunten, quirligen Leben geliebt hatte, und wider Erwarten begann Alexa, sich zu entspannen.
Ihr Sohn blickte staunend zum Wagenfenster hinaus, während sie verstohlen Giovanni beobachtete. „Wie es aussieht, hat sich hier nicht viel verändert“, bemerkte sie.
Giovanni warf ihr einen Blick zu, bevor er im nächsten Moment mit der flachen Hand auf die Hupe schlug, wie es im neapolitanischen Straßenverkehr üblich war. „Wenn du genauer hinschaust, wirst du feststellen, dass sich alles verändert“, erwiderte er rätselhaft, während er den Wagen nun aus der Innenstadt bergauf nach Vomero lenkte, wo die Familienvilla stand. „Inzwischen hat man viel Geld in die Stadt investiert und die ärmeren Bezirke saniert. Neapel ist gründlich aufpoliert worden und wünscht, dass die Welt es auch sieht.“
„Sind wir bald da, Papa?“, mischte sich Paolo ungeduldig ein.
„ Sì, mio bello.“ Giovanni lächelte seinem Sohn im Rückspiegel zu, bevor sein Blick zu Alexas bleichem Gesicht schweifte. „Erinnerst du dich noch?“, fragte er schroff. Vor ihnen öffnete sich ein großes, elektronisch gesteuertes Tor, und dahinter erhob sich die elegante Fassade des Palazzo.
Alexa hatte die kühle, dunkle Villa, in der Giovanni aufgewachsen war und die sich an den Hügel schmiegte, als habe sie schon immer dort gestanden, nur einmal vor Jahren kurz betreten. „Ja“, antwortete sie zögernd.
Giovanni war sich selbst nicht ganz sicher, ob es eine kluge Entscheidung gewesen war, mit seiner Familie in den Palazzo zu ziehen. Das Haus hatte seit dem Tod seiner Mutter leer gestanden, und allein der Geruch und die Atmosphäre ließen ihn unwillkürlich erschauern, als würden hier gänzlich unwillkommene Geister der Vergangenheit leben und nur darauf warten, geweckt zu werden. Doch sein Apartment am Meer war zu klein für sie alle. Deshalb hatte er eine Köchin und eine Haushälterin eingestellt, deren kleiner Sohn Fabrizio nur ein Jahr älter als Paolo war. So würde sein Sohn einen Spielkameraden haben, mit dem er Fußball spielen und von dem er Italienisch lernen konnte.
„Ich habe mit der Schulleiterin der kleinen zweisprachigen Privatschule gesprochen. Er kann kommen, sobald er will“, erklärte Giovanni beim ersten Abendessen.
Und was ist mit mir?, schoss es Alexa durch den Kopf.
Giovanni schien ihre Gedanken gelesen zu haben. „Du kannst ja das Haus neu einrichten und dein Italienisch aufbessern“, meinte er beiläufig. „Oder shoppen gehen.“
Mit anderen Worten, in seinen Augen war sie völlig überflüssig. Sie hatten das Essen auf der Terrasse eingenommen, die einen herrlichen Blick auf die unterhalb gelegene Stadt bot. Unter dem funkelnden Sternenhimmel glitzerte Neapel in der Ferne wie ein Meer von Juwelen. Das ist jetzt mein Zuhause, dachte Alexa. Würde sie je wirklich so empfinden? Der Gedanke an die Zukunft machte ihr Angst.
In der Folgezeit begegneten sie und Giovanni sich weiter kühl und distanziert wie zwei Fremde, während Paolo rasch im Leben seines Vaters Fuß fasste. Für Alexa war es schön und schmerzlich zugleich, zu erleben, wie ihr kleiner Sohn unter der italienischen
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