JULIA EXTRA Band 0281
dass sie ihm den Sohn verschwiegen hatte, so wie er sich vorher ihr gegenüber verhalten hatte? Sie musste ja befürchten, dass er genauso versuchen würde, Paolo zu besitzen, wie er versucht hatte, sie zu besitzen.
Trotz allem, was in ihrer Beziehung falsch gelaufen war, konnte er nicht leugnen, dass Alexa eine gute Mutter war. Belohnte er sie so dafür, wie fürsorglich sie sich um seinen Sohn gekümmert hatte? Indem er sie einschüchterte?
Nein! Er würde ihr jetzt gleich, auf der Stelle seine Großzügigkeit beweisen. „Ich werde dir einen angemessenen Unterhalt zahlen. Genug, um dir ein angenehmes Leben in England zu ermöglichen. Ich werde dich nicht länger gegen deinen Willen hier festhalten, Alexa“, erklärte er unvermittelt. „Du kannst gehen.“
Sie blinzelte erstaunt. „Gehen?“
Was wollte sie denn noch? Dass er sie auf Knien um Verzeihung bat? „Ja, gehen!“, wiederholte er schroff. „Denn das willst du doch.“
Ein verlockendes Angebot: Freiheit und finanzielle Sicherheit. Aber Alexa begriff plötzlich, dass ihr diese Dinge nichts bedeuteten. Denn das Fotoalbum mit den Bildern von dem kleinen Giovanni hatte ihr die Augen geöffnet. Auf jedem Foto ein anderer Mann an der Seite der Mutter und daneben ein kleiner, völlig verwirrter Junge. Sie versuchte sich vorzustellen, wie hilflos und zornig Paolo reagiert hätte, wenn sie ihm das zugemutet hätte. Kein Wunder, dass Giovanni Frauen gegenüber ein so großes Misstrauen entwickelt hatte.
Deshalb hatte er in ihrer Hochzeitsnacht so überreagiert und dann erneut, als er entdeckte, dass sie ihn in Bezug auf ihren gemeinsamen Sohn wirklich getäuscht hatte. Doch als Alexa ihm jetzt in die Augen blickte, wurde ihr mehr denn je klar, dass sie nie einen Mann so lieben würde wie ihn. Die gemeinsame Verantwortung für Paolo war außerdem Verpflichtung genug, einen Versuch zu wagen, die Kluft aus Verletzlichkeiten und Verbitterung zu überwinden. Es gab Schlimmeres, als seinen Stolz zu bezwingen und den ersten Schritt zu tun.
„Es tut mir leid, Giovanni“, flüsterte sie.
Das hatte er nicht erwartet. Argwöhnisch sah er sie an. „Gibt es etwa noch etwas, das du mir verschwiegen hast?“
„Nein, nein.“ Sie zögerte. „Ich möchte dich nur um Verzeihung bitten … für den Schmerz, den ich dir zugefügt habe. Für all die Jahre in Paolos Leben, die ich dir vorenthalten habe.“
Er wollte ihre Entschuldigungen nicht, wollte nur in Ruhe gelassen werden, um mit seiner Entscheidung klarzukommen. „Lass mich, Alexa. Nimm deine Freiheit, und geh nach England zurück, sobald du willst.“
Sie schluckte. „Aber … was, wenn ich gar nicht nach England zurück will?“
Giovanni war nicht bereit, den Schutzschild, den er all die Jahre mühsam errichtet hatte, so schnell sinken zu lassen. „Sag nichts, was du nicht wirklich ernst meinst“, erwiderte er schroff.
„Aber ich meine es ernst!“ Es fiel ihr nicht leicht, ihm ihre Gefühle zu offenbaren, denn sie lieferte sich ihm damit aus. „Ich … liebe dich, Giovanni“, flüsterte sie. „Tief im Herzen habe ich nie aufgehört, dich zu lieben, und werde nie damit aufhören.“
Worte, die ihn mitten ins Herz trafen. Er kehrte ihr den Rücken zu, um dem flehentlichen Blick ihrer schönen Augen zu entgehen und seine eigene verzehrende Sehnsucht zu verbergen. Sehnsucht, nicht nach ihrem Körper oder nach ihrem gemeinsamen Sohn, sondern nach dem Traum von Liebe und Familienglück, der ihm sein ganzes Leben verwehrt worden war.
Es drängte ihn, sich ihr wieder zuzuwenden und ihr zu sagen, dass es auch ihm leidtat, was für einen Schlamassel sie angerichtet hatten. Aber der stolze und mächtige Giovanni da Verrazzano hatte Angst. Was, wenn ihre Worte nur achtlos dahingesprochen waren und morgen schon keine Bedeutung mehr hatten?
Als er sich schließlich doch zu Alexa umdrehte und in ihre klaren grünen Augen blickte, wusste er, dass sie die Wahrheit sprach. Er begriff, dass etwas Wundervolles in seiner Reichweite lag und er nur zuzugreifen brauchte. Oder er würde alles verlieren. Doch wie sollte er seine Gefühle ausdrücken? „Ich … will deine Worte nicht“, sagte er rau.
„Dann nimm mein Herz“, antwortete Alexa, ging zu ihm und umfasste sein Gesicht mit zärtlichen Händen. „Nimm alles, was ich habe. Aber bitte, Giovanni, nimm mich mit auf deinem Weg durchs Leben. Wenn du meine Liebe nicht erwidern kannst, werde ich auch das akzeptieren, solange du unserem Sohn ein guter Vater bist.
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