JULIA EXTRA Band 0286
und ihn interessierte das gar nicht.
Amber kam sich so dumm vor. All die Dinge, die sie für bedeutsam gehalten hatte, waren für ihn nur das schmückende Beiwerk ihrer Affäre. Ganz am Anfang hatte er sie sogar gewarnt … seine Beziehungen basierten nicht auf Gefühlen, sondern auf dem Austausch von Annehmlichkeiten.
In ihrem Fall kam praktischerweise die gemeinsame Leidenschaft hinzu, aber trotzdem: keine Gefühle, keine Liebe.
„Wenn wir bei meiner Rückkehr keine anderweitigen Verpflichtungen eingegangen sind, können wir ja vielleicht unsere Liaison fortsetzen?“, schlug er zu allem Überfluss noch vor.
Die grausamen Worte trafen ihr ohnehin schon blutendes Herz wie ein weiterer Dolchhieb. Er hegte nicht die Absicht, auf anderweitige Verpflichtungen zu verzichten. So viel stand fest.
„Dann kannst du mich also so ohne Weiteres vergessen?“, fragte sie.
„Wie du gesagt hast, die Dinge ändern sich. Und wer weiß, was zum richtigen Zeitpunkt noch aus uns wird.“
„Und jetzt ist nicht die richtige Zeit?“
„Das weißt du doch ganz genau.“
Amber nahm das Telefon vom Ohr und starrte es an. Für ihre Qualen war Miguel verantwortlich, nicht das Gerät. Dennoch verspürte sie den unwiderstehlichen Drang, es zu zertrümmern. Aus dem Lautsprecher drangen Geräusche, die sie nicht verstand und auch gar nicht verstehen wollte.
Kurz entschlossen drückte sie auf eine Taste, und die Geräusche verstummten.
Der Schmerz hingegen blieb. Noch vor drei Tagen hatte sie sich fröhlicher als in ihrem ganzen Leben gefühlt. Jetzt brach alles weg. Ihre Hoffnung auf eine gemeinsame Zukunft mit Miguel. Ihre Freude, ihr Glück.
Das Einzige, was sie noch besaß, war ihre Karriere. Aber der Gedanke tröstete sie kein bisschen. Sie wünschte, sie könnte das Model sein, das sie so oft gespielt hatte: empfindungslos, gefühllos, schmerzlos.
Das Telefon klingelte, und noch einmal ein paar Minuten später. Aber Amber ignorierte es. Als es ein drittes Mal klingelte, schaltete sie es aus und warf es gegen die Wand. Es traf mit einem hohlen Knall auf, der ihre Wut jedoch nicht im Geringsten besänftigte.
Von der Tür hörte sie ein Klopfen. „Amber, mein Schatz, du musst in einer halben Stunde bei der Show sein.“
Die Stimme ihrer Mutter klang heiser, als hätte sie viel geweint. Amber konnte es sich nicht leisten, jetzt ihren Seelenqualen nachzugeben. Also wandte sie die Technik an, die sie sich selbst beigebracht hatte, um für ein Shooting jedes Denken auszublenden. Sie sammelte ihre Emotionen, bündelte sie und verschloss sie tief in ihrem Inneren.
Es klopfte noch einmal. „Amber … Ist alles in Ordnung mit dir?“
„Alles in Ordnung.“ Ihre Lüge vermischte sich mit denen, die ihre Mutter ihr all die Jahre erzählt hatte – aus demselben guten Grund, mit derselben guten Absicht. „Ich komme gleich.“
Gehörte diese normal klingende Stimme wirklich ihr?
Wie konnte das sein? Doch sie durfte jetzt nicht die Fassung verlieren. Später würde sie ihrer Mom von Miguel erzählen. Nachdem ihr Dad und ihre Schwester nach Boston zurückgekehrt waren und sie sich vergewissert hatte, dass es ihrer Mutter gut ging.
Amber würde für ihre Mom stark sein. Und stark für sich selbst, weil es sonst niemanden gab, auf den sie sich verlassen konnte.
10. KAPITEL
Doch Amber schwieg. Sie sah keinen Grund, ihrer Mutter von Miguels Anruf zu erzählen. Einmal fragte Helen nach ihm, und Amber berichtete ihr von seiner Reise nach Prag. In einem Punkt sollte Miguel recht behalten. Mit ihrer Karriere ging es in der Tat bergauf. Bald schon war sie so beschäftigt, dass sie und ihre Mutter sich nur noch selten sahen.
Nach einigen Wochen teilte Helen ihr mit, dass sie nach Boston ziehen und für George Wentworth arbeiten wollte. Amber freute sich, weil ihre Mutter nun nicht mehr allein sein würde. Und natürlich wusste sie, dass nun alle erwarteten, dass sie ebenfalls nach Boston zog. Doch das konnte sie nicht. Sie brauchte Zeit, um die Veränderungen in ihrem Leben zu verarbeiten.
Als ihre Schwester heiratete, flog sie als ihre Trauzeugin zur Hochzeit. An den beiden Tagen, die sie mit ihrer Familie verbrachte, trug sie das Lächeln im Gesicht, das sie sich für ihre Karriere antrainiert hatte.
Die Übelkeit setzte einige Wochen ein, nachdem Miguel mit ihr Schluss gemacht hatte. Was Amber jedoch nicht besorgte, da sie den Stress dafür verantwortlich machte.
Hunger hatte sie ohnehin kaum, und wenn ihr flau im Magen war, ließ
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