JULIA EXTRA Band 0286
nicht, was sie anziehen sollte. Hinzu kam ihr Haar, das nach einem Tag auf See eine ganz besondere Behandlung brauchte. Sie hatte es rasch gewaschen und trug jetzt noch ein Handtuch um den Kopf geschlungen.
Das Äußere war wichtig – soviel hatte sie am vergangenen Sonntag im Bürgermeisteramt gelernt. Keiner der Wissenschaftler, die Alexander eingeladen hatte, würde seine Zeit mit jemandem verbringen wollen, der wie ein armer Schlucker aussah.
Sie musste sich etwas einfallen lassen, und zwar schnell.
Als sie einen zufälligen Blick durch das Fenster warf, sprang sie unvermittelt auf. Sie stürzte an Deck, beugte sich über die Reling und ruderte wie wild mit den Armen. Das Glück schien ihr hold zu sein und ihr eine letzte Chance zu geben.
Indem sie so laut schrie, wie sie konnte, versuchte Ellie, die Aufmerksamkeit der jungen Kellnerin auf sich zu lenken, die ihr bereits am Vorabend geholfen hatte. Als das Mädchen aufblickte, seufzte Ellie erleichtert.
„Kannst du mir helfen?“ Es fiel Ellie nicht gerade leicht, das Mädchen schon wieder um Hilfe zu bitten. Die junge Griechin war so schön – groß und schlank, mit dunklen, funkelnden Augen und rabenschwarzem Haar, das ihr in wunderbaren Locken über den Rücken fiel. Sie hatte eine gerade Nase, perfekt geschwungene Augenbrauen und makellose Haut.
Verunsichert legte Ellie eine Hand über ihre Narbe, bis das Mädchen sie ihr sanft wegzog. „Natürlich kann ich dir helfen.“ Sie schaute Ellie aufmerksam an und drückte beruhigend deren Hand.
„Ich fürchte allerdings, dass ich nichts mehr habe, was ich dir geben könnte.“ Ellie hielt es nur für fair, das gleich von Beginn an deutlich zu machen. Ganz bewusst schaute sie nicht auf die Goldkette ihrer Mutter, die um den Hals des Mädchens lag.
„Ich möchte nichts von dir“, versicherte die Inselbewohnerin ihr jedoch. Sie griff nach Ellies Hand und warf ihr einen warmen Blick zu. „Komm schon, lass uns loslegen. Es wird bestimmt lustig.“
Lustig? So hatte Ellie es wirklich noch nie betrachtet. Dennoch – sie hatte diesen Weg eingeschlagen, nun gab es kein Zurück mehr.
„Na, was denkt ihr?“ Das junge Mädchen, mit dem Ellie sich angefreundet hatte, befragte ihre Freunde und Familie, die sich allesamt in dem kleinen Schlafzimmer versammelt hatten, um ihre Arbeit zu begutachten.
Zu Ellies großer Erleichterung war die Resonanz einhellig positiv. Vielleicht war ihre Idee doch gar nicht so schlecht gewesen. Sie hatten Ellie in ein umwerfendes Kleid gesteckt und ihr dazu mörderisch hohe High Heels verpasst. In ihrem ganzen Leben hatte sie noch nie etwas auch nur annähernd so Glamouröses getragen. Dank ihrer guten Fee kam sie sich wie Cinderella vor.
„Und wie findest du selbst es, Ellie?“
Ellie wusste kaum, was sie darauf antworten sollte, während die Frauen sie vor einen bodenlangen Spiegel schoben. Stattdessen umarmte sie ihre junge Freundin.
Wie sie es fand? Wow! Umwerfend! Ellie strich mit einer Hand über das schimmernde rote Satinmieder und betrachtete sich kritisch im Spiegel. Sie war ja keine Expertin, sie verstand kaum etwas von Mode. Aber das war definitiv ein anderer Look als Arbeitsoveralls und Shorts.
Das weich fallende Kleid schmiegte sich wie eine zweite Haut an ihren Körper, sodass ihre Brüste betont wurden und ihre Taille unglaublich schmal wirkte. Außerdem glänzte Ellies gebräunte Haut in einem goldenen Schimmer.
„Ich finde das Kleid einfach wunderschön“, sagte sie vollkommen ehrlich – sie war sich nur nicht hundertprozentig sicher, ob es wirklich zu ihr passte. „Ich weiß gar nicht, wie ich dir dafür danken soll, dass du es mir leihst.“ Als Ellie sich einmal ganz im Kreis drehte, lachten alle glücklich und applaudierten.
Es war ihnen sogar gelungen, ihre wilden Locken zu zähmen, indem sie sie an beiden Seiten aufgesteckt und mit bunten Seidenblüten geschmückt hatten. Ellie machte sich nicht einmal etwas daraus, dass diese Frisur ihre Narbe enthüllte. Warum sollte sie sich darum sorgen, wenn es niemanden sonst zu kümmern schien?
Die Mädchen hatten ihr beim Make-up geholfen und ihr dann noch einen Spritzer Parfum aufgelegt. Als sie jetzt in den Spiegel sah, erkannte sie sich kaum wieder.
Für einen Moment zögerte Ellie. Sie glich so sehr den anderen Frauen, die ständig um Alexander herumschwirrten. Dabei hatte sie nichts mit ihnen gemein. Doch daran war jetzt nichts mehr zu ändern. Nicht im Traum dachte sie daran, die Mädchen zu
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