JULIA EXTRA Band 0286
einzige Kind relativ alter Eltern. Seine Mutter starb kurz nach seiner Geburt, während sein Vater in Matts erstem Studienjahr das Zeitliche segnete. Insofern hatte Matt schon früh gelernt, sich in der Arbeit zu vergraben, um sich vor unerwünschten Empfindungen und emotionalen Verletzungen zu schützen.
Heirat und Kinder – sicher, das stand auf seinem Programm – irgendwann! Doch sich Knall auf Fall, heftig, leidenschaftlich und unwiderruflich zu verlieben, sodass seine ganze Welt aus den Fugen geriet, das hatte er keineswegs geplant!
Trotzdem war genau das passiert. Und was noch schlimmer war – mit jedem Tag fiel es ihm schwerer, seine Gefühle zu verbergen.
Er hatte versucht, sich von Harriet fernzuhalten, hatte nach außen ein betont gleichgültiges Verhalten zur Schau gestellt, doch er hätte ebenso gut versuchen können, ohne Sauerstoff auszukommen. Das war ihm mittlerweile vollkommen klar.
Tagtäglich fand er kleine Entschuldigungen, um sich in der Nähe ihres Schreibtischs aufzuhalten. Tagtäglich beobachtete er, wie sie Ben mit der Aufmerksamkeit überschüttete, die er sich selbst von ihr wünschte!
Er hatte alles versucht. Immer wieder sagte er sich, dass er sich unprofessionell verhielt, dann ermahnte er sich, dass er lächerlich wirken musste, doch nichts von alledem änderte irgendetwas an seinen Empfindungen.
Jetzt, in diesem Augenblick, wäre er am liebsten zu Harriet hinübergegangen, um sie in seine Arme zu ziehen und zu küssen – so lange, bis sie ihn genauso sehr begehrte wie er sie, und zur Hölle mit den Konsequenzen! Doch noch größer als sein Verlangen, mit ihr zu schlafen, war sein Wunsch, sie zu beschützen. Zum Beispiel vor den verächtlichen, kritischen Kommentaren mancher Kollegen und auch vor ihrem eigenen, unbedachten Verhalten.
Er konnte sich noch so oft ins Gewissen rufen, dass sie als ganz normale Angestellte kein größeres Recht auf seinen Schutz besaß als beispielsweise ihre Kollegen beziehungsweise, dass es überhaupt unangemessen, ja sogar überheblich von ihm war, sie beschützen zu wollen.
Doch weil er sie liebte, konnte er nicht ertragen, was teilweise über sie geredet wurde. Es fiel ihm unheimlich schwer, untätig abzuwarten und zuzusehen, wie das Unvermeidbare geschah. Denn alle schienen sich einig darüber zu sein, dass entweder Ben selbst oder jemand aus der Kollegenschaft ihr früher oder später zu verstehen geben würde, dass sie sich besser nicht länger lächerlich machte, indem sie so deutlich ihre Gefühle für einen Mann zeigte, der in ihr nicht mehr als eine Freundin sah.
Wenn man schon unter unerwiderter Liebe litt, dann am besten still und heimlich – so wie Matt es tat.
Aber besaß er nicht vielleicht doch das Recht, sich einzumischen? Sei es als ihr Arbeitgeber oder als der Mann, der sie liebte?
Moralisch stand es ihm sicher nicht zu! Doch emotional … Matt atmete tief aus.
Hilflos beobachtete er, wie Harriet noch dichter an Ben heranrückte. Nur mit Mühe konnte er sich davon abhalten, zu ihr zu gehen und sie gewaltsam von Ben zu trennen.
War ihr denn nicht klar, wie sehr sie sich zum Narren machte? Spielte das überhaupt keine Rolle für sie? Wusste sie nicht, dass man bereits hinter ihrem Rücken über sie redete und sich lustig machte?
Wenn ihr das nicht bewusst war, dann wurde es wirklich allmählich Zeit, dass jemand ihr die Augen öffnete!
Allerdings bedurfte es dazu eines wesentlich mutigeren Mannes als Ben, wie Matt mit plötzlicher Klarsicht erkannte, und auch ihre weiblichen Kollegen schienen lieber zu tratschen und zu tuscheln, anstatt Harriet aufzuklären. In der vergangenen Woche hatte er zufällig unbemerkt in Hörweite gestanden, als Cindi einer älteren Mitarbeiterin von einem Streit erzählte, den sie kurz zuvor mit Ben wegen dessen Freundschaft zu Harriet gehabt hatte.
„Er schwört, dass sie für ihn nicht mehr als eine gute Freundin ist“, hörte Matt sie mit tränenerstickter Stimme sagen.
„Nun, es mag ja sein, dass er ihre Beziehung so einschätzt, aber bei ihr ist der Fall ganz klar anders gelagert“, erwiderte die Kollegin düster. „Warum sonst ist sie ihm wohl an diesen Arbeitsplatz gefolgt? Mach bloß nicht denselben Fehler, den ich begangen habe, Cindi“, warnte sie. „Mein Ex hat mir auch geschworen, dass seine Sekretärin ihm nichts bedeutet, aber wie mir das kleine Flittchen an dem Tag, an dem er mich für sie verlassen hat, mitgeteilt hat, wollte sie ihn, und nichts und niemand hätte sie
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