Julia Extra Band 0292
kleinen Café auf der Straße saßen, einen köstlichen Cappuccino tranken und dabei die vorbeiströmenden Leute beobachteten. Es wimmelte nur so von Tagestouristen, die aus allen Teilen der Welt kamen.
Auf der einen Seite wurde die kleine Piazza von blühendem Oleander begrenzt, auf der anderen Seite reihte sich eine Nobel-Boutique an die andere, deren Eingänge sämtlich von strahlend weißen, gewölbten Markisen überdacht waren. Hinter den dicken Glastüren glänzten polierte Marmorböden, und außen an den Scheiben musste man das dezente Designerlabel fast suchen.
„Na, ist das nicht der Traum einer jeden Frau?“, neckte Romano, der Libbys Blick gefolgt war, und schob sich noch ein Stückchen des köstlichen Limonenkuchens in den Mund, den sie zum Kaffee bestellt hatten.
Seine Begleiterin maß ihn mit einem kurzen Seitenblick und lachte dann. „Und der Albtraum eines jeden Ehemannes, könnte ich mir vorstellen!“, mutmaßte sie, da sie die Preise der eleganten Kreationen durch ihren Job nur zu gut kannte. Trotz ihres beeindruckenden Erfolgs als Topmodel hatte Libby allerdings nie vergessen, wie lange und schwer ein normaler Mensch arbeiten musste, um sich auch nur eines dieser Designerstücke leisten zu können.
„Du hast erwähnt, dass dein Vater vor nicht allzu langer Zeit verstorben ist“, wechselte Romano plötzlich das Thema. „Und deine Mutter … sie starb, als du noch ein Kleinkind warst, glaube ich.“
Libby nickte. Sie hatte es ihm gegenüber nie erwähnt. Wahrscheinlich wusste er es von seinem Bruder.
„Das muss sehr hart für dich gewesen sein.“
Libby hob leicht die Schultern. „Wir sind zurechtgekommen.“
„Wie ging es eigentlich für dich weiter, nachdem du Italien damals verlassen hast?“, wollte er wissen. „Bevor du deine Karriere als Topmodel gestartet hast, meine ich.“
Bevor ich rausgeworfen wurde?, hätte sie am liebsten gefragt, wollte aber das Friedensangebot, das er ihr gerade gemacht hatte, nicht gleich wieder zerstören.
„Ich habe ein Fernstudium in Betriebswirtschaft absolviert, sodass ich nebenbei meinen Dad pflegen konnte. Das Modeln hat sich erst später durch einen Zufall ergeben. Mein Vater fand eine neue Lebenspartnerin – eine der Krankenschwestern aus der Klinik, in der er lag. Dad war es auch, der mich drängte, die Chance wahrzunehmen, und unterstützte mich bei jedem einzelnen meiner Karriereschritte.“
„Er muss sehr stolz auf seine erfolgreiche Tochter gewesen sein.“
Wieder hob Libby in der ihr eigenen Art die Schultern und schwieg.
„Warum hast du nie versucht, Giorgio zurückzubekommen?“
Seine Frage überraschte, nein verstörte sie. Wusste er denn wirklich nichts davon? Sie konnte es nicht fassen.
„Das habe ich doch! Glaube mir, auf jede erdenkliche Art und Weise!“
„Und?“
„Mir wurde das Umgangsrecht per Gericht untersagt, geschweige denn die Chance eingeräumt, das Sorgerecht zugesprochen zu bekommen. Und als ich endlich genug Geld verdiente, sodass Maurizios Drohungen meinem Vater nicht mehr schaden konnten, hatten deine Eltern die legale Adoption durchgedrückt. Jeder Brief, den ich meinem Sohn schickte, kam ungeöffnet und kommentarlos zurück. Ich durfte ihm nicht einmal eine Geburtstagskarte schicken …“
Sofort dachte Romano an die zerknitterte Karte zu Giorgios erstem Wiegenfest.
„Davon wusste ich wirklich nichts“, sagte er leise. Plötzlich war es Romano unglaublich wichtig, dass sie ihm in diesem Punkt glaubte. „Ich war damals in Übersee, und niemand hat mir erzählt, was zu Hause vor sich ging.“
„Erzähl mir etwas von dir“, bat Libby ruhig.
„Von mir?“ Er lachte, froh darüber, dass sie das Thema gewechselt hatte. Immer noch konnte er es nicht fassen, was seine Eltern ihrer Schwiegertochter angetan hatten. „Da gibt es nicht viel zu erzählen.“
„Abgesehen von der Zeit in einem exklusiven Internat, der Elite-Uni, etlichen Tennis-Turnieren und Schwimmmeisterschaften … Was hast du noch so getan, außer eine Einzelhandelskette zu sanieren, eine Fluglinie aufzubauen und zum jüngsten Wirtschaftsmillionär der Welt gekürt zu werden …?“
Wieder lachte Romano und schüttelte den Kopf. „Das war’s auch schon“, behauptete er lakonisch, trank seinen Cappuccino aus und wies mit dem Kinn zur Boutiquenzeile hinüber. „Willst du eine so einmalige Chance tatsächlich vergehen lassen?“
„Mir ent gehen lassen, sagen wir in England“, verbesserte sie ihn sanft. „Aber wenn du
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