Julia Extra Band 0292
meinem Bruder verheiratet!“, warf er ihr vor, als sei das eine Entschuldigung für seine eigenen unausgegorenen Gefühle, die ihn damals gequält und noch heute fest im Griff hatten.
Sehnsucht, Verlangen, Begierde, Besessenheit …
„Ja, ich war mit deinem Bruder verheiratet“, bestätigte Libby ruhig. „Und vor jeder Reise habe ich ihn gebeten, ja geradezu angefleht, mich zu begleiten, da ich mich völlig überfordert fühlte und es mir unglaublich schwerfiel, mich von Luca zu trennen, selbst für eine kurze Zeit.“
Der unausgesprochene Vorwurf in ihren Augen verursachte Romano einen seltsamen Stich im Herzen.
„Doch er konnte nie weg, dafür haben dein Vater und deine Mutter gesorgt. Er durfte schließlich nicht seine Pflichten ge genüber der Familie vernachlässigen!“
Ganz abgesehen von Lucas Angst, die großzügige finanzielle Unterstützung seiner Eltern zu verlieren, falls er auf seine Frau hören sollte. Aber darüber wollte Libby an dieser Stelle nicht reden.
„Er wusste, es würden sich alle gegen ihn wenden, sollte er tatsächlich gegen das Familiendiktat aufbegehren … dich eingeschlossen!“, fügte sie anklagend hinzu.
Sekundenlang stand eine angespannte Stille zwischen ihnen, bis Romano nach Libbys Hand griff. „Komm“, sagte er knapp und zog sie mit sich.
Die kleine Maschine glitt wie ein Flugboot über den glitzernden Golf von Neapel. Unter ihnen erstreckte sich die Stadt wie ein rötlich stickiger Dschungel. Breite verstopfte Straßen, flankiert von hoch aufragenden, ultramodernen Gebäuden und archäologischen Ausgrabungsstätten.
Im Westen liefen Kreuzfahrtschiffe, die wie weiße Paläste wirkten, in den großen Hafen ein, der von einer antiken Festung überragt wurde – einem Relikt aus weniger friedlichen Zeiten.
Und über allem thronte der Vesuv wie ein schlafendes Monstrum. Beeindruckend und voll zerstörerischer Kraft.
„Keine Angst, er wird nicht ausbrechen … jedenfalls nicht heute“, versicherte Romano schmunzelnd, als er Libbys faszinierten Blick gewahrte. „Falls du dir darüber Gedanken gemacht hast.“
„Habe ich nicht.“ Allerdings erinnerte sie sich, etwas über die verheerende Naturkatastrophe vor zweitausend Jahren gelesen zu haben, wodurch die gesamte Region verwüstet und entvölkert wurde. „Er erinnert mich nur irgendwie an dich.“
„An mich?“ Romano lachte, geriet aber nicht in Gefahr, diesen Vergleich als Kompliment zu sehen. „Nein, sag es mir lieber nicht!“, wehrte er hastig ab. „Ich kann mir lebhaft vorstellen, was du meinst. Groß, imposant und mit der Tendenz zum unkontrollierten Gefühlsausbruch … zumindest in der Gegenwart einer bestimmten Person.“
Libby errötete und fragte sich, ob er dabei auch an den Abend zurückdachte, als sie durch seine Mutter gestört wurden. Wie konnte er nur so lässig die Maschine fliegen und gleichzeitig derart brisante Themen anschneiden?
Säße sie am Steuerknüppel, wären sie sicher längst abgestürzt!
„Warum nicht noch unberechenbar und absonderlich hinzufügen?“, fragte sie leichthin.
„Weil das nicht stimmt“, kam es postwendend zurück. „Wenigstens ist es mir gelungen, dich ein wenig zu entspannen und dir ein Lächeln zu entlocken“, stellte er mit einem kurzen Seitenblick zufrieden fest.
„Hast du mich deshalb hierher entführt?“
„Dafür hätten wir nicht gleich in den blauen Himmel aufsteigen müssen. Ich dachte einfach, es würde dir Spaß machen.“
„Spaß? Mit dir zusammen?“, forderte sie ihn heraus.
Romano grinste beifällig. „ Touché! Aber mal im Ernst, ist das eine so unmögliche Vorstellung für dich?“
„Ja“, entfuhr es ihr spontan, doch ihr Lachen milderte den Schlag ab.
„Also … Elizabeth Vincenzo…“, begann er in strengem Ton, und da er nicht zur Seite schaute, entging ihm, wie sie zusammenzuckte. „Was macht dir denn Vergnügen? Vielleicht, mich mit deinen wundervollen smaragdgrünen Augen und deinem Feuerschopf in den Wahnsinn zu treiben?“
Libby verschlug es förmlich den Atem. Flirtete Romano etwa mit ihr? Woher der plötzliche Sinneswandel? Darauf war sie nicht vorbereitet und fühlte sich schrecklich unbeholfen.
„Ich … ich musste versprechen, diesen Namen nie zu benutzen.“
„ Scusi ?“
„Vincenzo … euren Familiennamen.“ Als wenn sie ihn daran erinnern müsste! Wollte er denn immer noch den Ahnungslosen spielen? „Aber ich brachte es nicht übers Herz, ihn ganz aufzugeben. Immerhin war ich Lucas
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