Julia Extra Band 0292
ist.“
Libby nickte und wurde schlagartig wieder ernst. „Du hast in den letzten Jahren viel Zeit mit ihm verbracht, nicht wahr?“
Direkter konnte sie ihm nicht mitteilen, dass sie seine Videokassetten inzwischen angeschaut hatte.
„Irgendjemand musste es ja tun.“ Der Wandel in seiner Stimme traf Libby wie ein kalter Windhauch. „Da der Kleine weder Vater noch Mutter hatte.“
Libby ballte die Hände zu Fäusten und versuchte, sich zu beherrschen, aber das Maß war voll!
„Ich weiß genau, was du von mir hältst, Romano“, knirschte sie hinter zusammengebissenen Zähnen hervor. „Ich bin mir klar darüber, dass du mich für eine berechnende Hexe hältst und in deinem Bruder nur das bedauernswerte Opfer siehst!“
„War er das nicht?“
„Für jemanden, der ihn tatsächlich hätte ausnehmen wollen, mag das zutreffen, denn Luca war in dieser Hinsicht wirklich ziemlich naiv und sträflich freigiebig … um nicht zu sagen, verschwenderisch.“
Libby brauchte nur an die kostspieligen Geschenke zu denken, mit denen er sie überhäuft hatte. Juwelen, Designer-Kleidung, Sportwagen …
„Und sicher hätte er auch das ererbte Vermögen seines Großvaters durchgebracht, wenn es nicht bis zu seinem fünfundzwanzigsten Geburtstag festgelegt gewesen wäre.“
Aber nicht nur mit ihr, sondern auch mit seinen Freunden. In Libbys Augen eine Bande falschzüngiger Opportunisten und Schmarotzer!
„Aber ich brauchte nicht auf dieses Geld zu spekulieren, hast du darüber auch schon einmal nachgedacht?“, fragte sie voller Sarkasmus. „Denn ich hatte ja Giorgio, mit dem ich stattdessen deinen Vater erpressen konnte!“
Sie machte eine Pause, um diese Ungeheuerlichkeit sacken zu lassen, und sah mit bitterer Genugtuung, dass ihr Pfeil sein Ziel getroffen hatte.
„Du bist so ein eingebildeter, selbstgerechter Idiot, Romano Vincenzo!“, platzte es plötzlich aus ihr heraus. „Lieber Himmel! Wenn du mich wirklich so einschätzt, dann ist es kein Wunder, dass du mich hasst!“
Sie war übers Ziel hinausgeschossen. Das wurde Libby bewusst, als Romano hart nach ihrem Arm griff und sie dicht zu sich heranzog.
„Und, macht es dir etwas aus, ob ich dich hasse oder nicht, meine wunderschöne, intrigante Schwägerin und trauernde Witwe …?“ Der raue, samtene Ton seiner Stimme ließ Libby kalte Schauer über den Rücken rinnen.
Und ob es ihr etwas ausmachte! Aber das würde sie ihm nie gestehen!
„Natürlich nicht!“, fauchte sie ihn an und befreite sich wütend aus seinem Griff. „Nur dass überhaupt jemand mich für derart skrupellos halten kann!“
„Bisher hast du mir noch keinen Beweis fürs Gegenteil gebracht. Vielleicht hast du sie ja inzwischen verdrängt, aber ich nicht, cara. Jene Nacht, in der ich dich zufällig gesehen habe, während einer deiner vielen Ausflüge nach England, die du als … wie war das noch? … ach ja, als Pflegedienst für deinen Vater getarnt hast! Schwanger mit dem Kind meines Bruders – der gutgläubig und bequemerweise in Italien zurückblieb.“
„Das ist nicht wahr! Es gab keinen Lover in England. Mein Vater war todkrank und auf mich angewiesen. Und als du mich im Country-Club gesehen hast, war es das Werk meiner Freunde, die mich ständig gequält und schließlich überredet haben, mir wenigstens einen Abend eine Auszeit zu gönnen, ehe ich zusammenbreche. Ich war zu Tode erschöpft. Ständig dieser Spagat zwischen der Verpflichtung meinem Vater gegenüber und der Angst, dass meine Ehe mit Luca dabei zu kurz kommt …“
Libby brach ab und fuhr sich mit der Hand über die brennenden Augen. „Und dann gönne ich mir eine kurze Verschnaufpause, und da muss ich ausgerechnet mit dir zusammenstoßen!“
„Was für ein unglaubliches Pech für dich, carissima … ich fühle mit dir!“, höhnte Romano. „Und dann auch noch in einer derart verfänglichen Situation, nicht wahr?“
„Weil ich mit dem Ehemann meiner Nachbarin und besten Freundin getanzt habe? Die übrigens auch anwesend war und mich – zusammen mit ihrem Mann – nach besten Kräften in der Pflege meines Vaters unterstützt hat.“
„ Santo cielo !“, stieß Romano gereizt hervor. „Das höre ich alles zum ersten Mal! Willst du mir etwa vorwerfen, dass ich aus der eindeutigen Situation falsche Schlüsse gezogen habe? So wie du getanzt hast, hat jeder Mann im Club dich mit den Augen verschlungen!“
Inklusive dir selbst, meldete sich sein Gewissen, was Romano nur noch mehr erregte.
„Du warst mit
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