Julia Extra Band 0293
gesehnt und gewünscht hatte, er könnte ihr Neugeborenes in Augenschein nehmen! Als sie jetzt an die Mischung aus erhebender Freude und tiefer Traurigkeit dachte, die sie empfunden hatte, als das Foto gemacht wurde, versuchte sie, den Sturm der Gefühle, der sie dabei zu überwältigen drohte, abzuwehren. „Ich habe schon besser ausgesehen“, sagte sie deshalb und schnitt ein Gesicht.
Flynn wandte den Kopf, um sie zu betrachten, und eine tiefe Furche entstand zwischen seinen Brauen. „Ihr seht beide unglaublich gut aus. Das ist das schönste Foto, das ich jemals gesehen habe“, sagte er, und da war eindeutig ein heiserer Anklang in seiner betörenden Stimme.
„Ich hätte dich an dem Tag so gern dabeigehabt“, gestand Caitlin, und auch ihre Stimme schwankte. „Ich konnte gar nicht schlafen, weil ich immer an dich denken musste … obwohl ich so erschöpft war.“
„Ich mag gar nicht daran denken, dass du diese schwere Geburt ganz allein durchgemacht hast“, stieß er hervor, und seine Anspannung verlieh seinen Worten, die von Herzen kamen, noch mehr Gewicht.
„Tante Marie hat auf dem Flur gewartet, und die Hebammen und Ärzte waren sehr nett. Es stimmt übrigens, was die Leute sagen – dass man die Schmerzen vergisst, sobald sie dir dein Baby in die Arme legen. Ich weiß noch, wie ich Sorcha das erste Mal angesehen und mir gedacht habe: Das meinen sie also mit ’Wunder’! Aber ehrlich gesagt …“ Sie sah ihm in die Augen und wusste, dass ihre eigenen ein Spiegel ihrer Seele waren. Um ihn daran zu hindern, hineinzusehen, war es zu spät, und um irgendetwas zurückzuhalten sowieso – nun, nachdem sich die Tore einmal geöffnet hatten. „Wenn ich ehrlich bin, habe ich am meisten darunter gelitten, dass du nicht da gewesen bist, Flynn. Es war, als hätte mir jemand das Herz herausgerissen.“
Er lächelte wehmütig und sagte dann: „Ich bin erstaunt, dass du das immer noch so empfindest, nach all dem, was ich dir angetan habe.“
„Was meinst du damit, Flynn?“
„Am Anfang dachte ich, ich könnte dir niemals vergeben, dass du mich verlassen hast … aber inzwischen habe ich begriffen, dass du diejenige bist, die mir verzeihen muss. Die ganze Zeit habe ich meinen Groll gegen dich vor mir hergetragen wie einen Schild. Ich schätze, dadurch wollte ich mich dagegen schützen, mich jemals wieder so von dir betören zu lassen. Aber anstatt zu begreifen, dass ich dir kaum Zugang zu meinem wahren Ich gewährt hatte – zumindest nicht genug, damit du mir vertrauen konntest –, habe ich dich für dein Fortgehen verurteilt.“
Mit einem tiefen Seufzer des Bedauerns schloss er das kleine Album. „Ich habe nicht verhindert, dass mich die Erfahrung mit Isabel bitter gemacht hat, Caitlin. So bitter, dass ich gar nicht richtig begriffen habe, wie viel Glück ich hatte, als du in mein Leben getreten bist. Erst als du fort warst, ist mir bewusst geworden, welch ein Geschenk ich vorher in Händen halten durfte. Die Wahrheit ist doch, dass ich mich mehr hätte anstrengen müssen, um herauszufinden, wohin du gegangen bist. Doch ich habe zugelassen, dass mein Stolz mich davon abhielt. Anstatt meine Wunden zu lecken und in Selbstmitleid zu baden, hätte ich zu deinem Vater gehen und ihn – wenn nötig – auf Knien bitten sollen, dass er mir sagt, wo du dich aufhältst.“
„Ja, Flynn, aber du bist nun mal nicht der Typ, der auf den Knien herumrutscht!“ Caitlins Lächeln war zärtlich und vergebend zugleich.
Flynn ergriff ihre Hand, umfasste ihre Finger, führte sie an die Lippen und küsste jeden einzelnen.„Isabels Verhalten hat mich dazu gebracht, sehr vorsichtig zu sein, was Beziehungen angeht. Als ich dich getroffen habe, war ich erschrocken darüber, wie leicht du mich bezaubern konntest, einfach nur, indem du mich anlächeltest. Du hast so eine Art, tief in mir etwas anzurühren, zu dem bisher noch niemand vorgedrungen ist … Vom ersten Moment an wusste ich, dass du mir gefährlich werden könntest.“
„Gefährlich?“, fragte Caitlin zweifelnd.
„Ich weiß, dass du alles andere als berechnend bist, Caitlin! Und bestimmt weiß meine Mutter das jetzt auch. Das habe ich aber nicht gemeint.“ Er hob die Hand, um ihr zartes Kinn zu umfassen. „Ich meinte, dass du gefährlich für mein Herz werden könntest … und es einfach aufbrechen würdest.“
„Und jetzt?“
„Jetzt sollten wir erst einmal kitten, was kaputtgegangen ist. Meinetwegen musstest du durch die Hölle gehen! Du warst noch so
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