Julia Extra Band 0293
erpresst und manipuliert. Er spielt mit jedem, dem er begegnet. Sie haben keine Ahnung, was für ein Mensch er wirklich ist.“
„Nein“, sagte sie kalt, „vermutlich nicht.“ Wieder versuchte sie, sich von ihm loszumachen, doch er hielt sie gnadenlos fest.
„Finger weg von meiner Frau!“
Noch nie war Susan so erleichtert gewesen, Julians Stimme zu hören.
Der leicht angetrunkene Geoffrey schwang herum. „Ich habe Ihrer sogenannten Frau nur ein paar Details aus Ihrem Privatleben verraten.“
„Das habe ich gehört“, schnitt Julian ihm das Wort ab. Er wandte sich an Susan. „Die Reden sind vorbei. Wir können gehen.“
Draußen regnete es Bindfäden, und der Bürgersteig war rutschig. Susan stolperte, und Julian fasste nach ihrem Ellenbogen, um sie zu stützen.
Auch im Auto sprachen sie kein Wort miteinander, und Susan dachte ununterbrochen an das, was sie von Geoffrey erfahren hatte. Vorsichtig beobachtete sie Julian aus dem Augenwinkel. Sein Mund war zu einer schmalen Linie zusammengepresst, der Blick starr geradeaus gerichtet.
Hatte Geoffrey recht, und verachteten andere Architekten Julian für seine Herkunft und seine Geschäftsmethoden? Kam er wirklich aus derart desolaten Verhältnissen? Diese Vorstellung war gleichermaßen schockierend und überraschend.
Susan hätte nie gedacht, dass Julian es so schwer hatte, sich als Architekt zu etablieren. Das Einzige, was sie aus der Presse über ihn erfahren hatte, waren seine Frauengeschichten und seine außergewöhnlichen Projekte – kein Wort von seiner Vergangenheit.
Wen er wohl alles dafür bezahlt hat, diese Herkunft zu verschweigen?, fragte sie sich. Aber dafür kann ihm wohl niemand einen Vorwurf machen, wenn es tatsächlich stimmt, was Geoffrey behauptet hat.
Er war kein Mann, der sich mit Mitleid oder auch mit Missachtung abfand.
„Hassell will mich morgen anrufen“, sagte er abrupt. „Ich gehe davon aus, dass er mir offiziell den Auftrag geben will.“
Susan schluckte. „Und weiter?“
Er lächelte schwach. „Damit sind wir durch. Ich brauche dich dann nicht mehr.“
Ihr war nicht einmal klar, woher die plötzliche Traurigkeit kam, die sie überfiel. Ihr Hals fühlte sich knochentrocken an. „Gut.“
Julian nickte nur, und Susan hatte das Gefühl, noch etwas sagen zu müssen. „Sobald es vorbei ist, werde ich mich nach einem neuen Arbeitsplatz umsehen. Vielleicht sogar in einer anderen Stadt.“ Bis sie diese Worte ausgesprochen hatte, wusste sie selbst nicht, dass sie einen solchen Plan hegte. Jetzt aber schien es der einzig richtige Weg zu sein. Flucht, Rückzug, Distanz.
Er zuckte kaum merkbar mit den Schultern. „Okay.“
Seine Gleichgültigkeit tat ihr unendlich weh. Sie durchbrach die letzte Schale zu ihrem gut beschützten Herzen und machte ihr klar, wie wichtig er ihr inzwischen geworden war.
Vor ihrem Haus glitt Susan lautlos aus dem Wagen und ging zur Tür. In ihr brannte nur ein Gedanke: dass es das Beste wäre, wenn sie Julian niemals wiedersah.
„Julian, hier ist Jan.“
Sofort hörte Julian die Anspannung in der Stimme des älteren Mannes. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und bemühte sich, möglichst unbeschwert zu klingen.
„Jan, wie schön, von Ihnen zu hören. Ich habe die Pläne für Ihr Resort gerade hier auf meinem Schreibtisch.“
„Ja, nun …“ Jan seufzte schwer. „Darüber müssen wir noch einmal reden.“
„Ach?“ Julians Hand klammerte sich fester um den Telefonhörer.
„Julian, mir sind da ein paar Dinge zu Ohren gekommen. Beunruhigende Dinge.“
„Die Architekturszene ist ein heißes Pflaster, Jan. Da kocht die Gerüchteküche ständig.“
„Ich wäre froh, wenn es sich nur um Gerüchte handelt“, gab Jan zu.
„Dann erzählen Sie mir, worum es geht“, bat Julian, obwohl er genau wusste, was ihn erwartete.
„Jemand behauptete, Susan und Sie wären gar nicht verheiratet. Sie hätten sie engagiert, um Ihre Ehefrau zu spielen!“ Jans Stimme wurde vor Aufregung schrill, und Julian zuckte zusammen.
„Das ist doch lächerlich“, antwortete er ausweichend.
„Ganz ehrlich, Julian, ich mach mir so meine Gedanken. Immerhin hörte ich von Ihrem Ruf, bevor ich Sie zu diesem Wochenende auf die Insel eingeladen habe. Sie gelten als notorischer Playboy, und …“
„Mein Ruf ist eine Erfindung der Presse“, korrigierte Julian schnell. „Da wird gern übertrieben.“
„Mag sein. Trotzdem gebe ich zu, Sie waren genau deshalb nicht die erste Wahl für diesen Job. Ihre
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