Julia Extra Band 0293
Terrassentüren in den Garten hinaus, der jetzt nur aus dunkelgrünen und schwarzen Schatten bestand. Im Esszimmer stand ein großer, rustikaler Holztisch, der nicht gerade edel, aber dafür unbeschreiblich gemütlich aussah.
„Ich zeig dir mal das Obergeschoss“, bot Julian an und führte Susan die breite Treppe hinauf. Es gab vier Räume: ein Babyzimmer, zwei Kinderzimmer und ein großes Elternschlafzimmer. Alles so perfekt eingerichtet, als würde das Haus nur auf eine Familie warten, die dort wohnt.
Sprachlos stand Susan mitten im Schlafzimmer, das in Weiß und Dunkelbraun gehalten war. Riesige Fenster gaben den Blick auf das Grundstück frei, das nun in der Dunkelheit lag, und in einem offenen Kamin wartete ein kleiner Holzstapel darauf, entzündet zu werden.
„Wem gehört dieses Haus?“, fragte sie schließlich. „Und warum leben die Leute nicht schon lange darin? Deine Arbeit hier ist ganz offensichtlich getan.“
Er hatte sie von der Tür aus beobachtet, aber nun betrat er selbst das Schlafzimmer. Etwas unsicher schob er die Hände in die Hosentaschen und hielt seinen Blick auf den rustikalen Holzfußboden gerichtet.
„Um ehrlich zu sein, es gehört mir.“
Das hatte sie nicht erwartet. „Was? Es ist deins?“
„Ja, aber ich komme fast nie hierher.“ Er warf ihr einen flüchtigen Blick zu und sah dann schnell aus dem Fenster hinaus in die Dunkelheit. „Mir gefällt einfach, es zu besitzen.“
„Es ist ein Heim für eine Familie“, sagte sie, und Julian wusste genau, wovon sie sprach.
„Und ich bin kein Familienmensch. Ja, ich weiß. Es ist wohl ziemlich unsinnig, es zu behalten, was? Ich habe schon mit dem Gedanken gespielt, es zu verkaufen. Vielleicht sollte ich es tun.“
„Mach das nicht!“ Dieser Satz platzte ungewollt aus ihr heraus, bevor sie ihn zurückhalten konnte. Aber irgendwie fühlte sich das Haus wie der beste Teil von Julian an – ein Einblick in seine verschüttete Seele, ein Hinweis auf seine Menschlichkeit. Das durfte er nicht einfach so aufgeben. Sie würde es nicht zulassen, wenn sie es verhindern konnte.
„Ich habe es zum ersten Mal gesehen, als ich im letzten Jahr den Golfplatz besichtigen sollte“, erklärte er. „Damals war es eine Bruchbude. Ich wollte es instand setzen und gewinnbringend verkaufen, sozusagen als privates Objekt. Dann habe ich mich aber entschlossen, es doch zu behalten.“ Er machte eine Pause. „Ich wollte als Kind immer ein Haus wie dieses haben.“
„Ehrlich?“ Fasziniert streckte sie ihre Hand aus und umfasste einen der handgeschnitzten Bettpfosten. Vielleicht wollte sie sich auch nur irgendwo abstützen, weil ein Sog von sehnsüchtigen Wunschvorstellungen sie zu verschlingen drohte. „Nun, vermutlich hattest du noch nie ein Zuhause wie dieses.“
„Nein.“ Er lachte hohl. „Ganz und gar nicht.“
Danach sprach lange keiner von ihnen beiden ein Wort. Julian schien mit seinen Gedanken weit, weit weg zu sein. Er starrte ins Leere, und seine Gesichtszüge waren verspannt.
„Ich hätte dich nicht hierherbringen sollen“, sagte er plötzlich.
„Warum nicht?“, wisperte sie leise.
Mit einer ruckartigen Kopfbewegung schien er seine trüben Gedanken abschütteln zu wollen. „Ich weiß nicht, was ich mir dabei gedacht habe.“
„Wieso lebst du nicht hier? In die Stadt ist es doch nicht allzu weit.“
„Wozu sollte ich mich hier häuslich einrichten?“ Er hob verzweifelt beide Hände, steckte sie dann jedoch eilig in die Hosentaschen.
„Vielleicht heiratest du eines Tages … bekommst Kinder …“
Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Ach, Susan, wir wissen doch beide, dass so etwas niemals passieren wird. Ich bin einfach nicht diese Sorte Mann.“
„Du könntest es werden“, sagte sie sanft.
„Niemals.“ Sein überzeugter Tonfall klang in ihrem Herzen wie ein Echo nach.
„Nur weil du nie eine eigene Familie hattest?“
Er sah sie direkt an. „Die traurige Geschichte meiner Kindheit, die Geoffrey dir ungefragt unterbreitet hat, muss dich ziemlich schockiert haben. Leider ist jedes Wort davon wahr. Meine Mutter war heroinabhängig. Sie hat mich verlassen, als ich sieben Jahre alt war.“
Susan schluckte. „Was geschah dann?“
„Ich kam in ein Heim. Nach Cowgate.“
„Das Büro“, schloss sie. Wenigstens hatte Julian einen Weg gefunden, seine Vergangenheit teilweise zu verarbeiten.
„Genau.“
„Ging es dir dort gut?“, erkundigte sie sich vorsichtig. Dabei fühlte sie sich, als würde sie
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