Julia Extra Band 0293
Verantwortung für ihr Handeln und ihr Leben übernahm. Konkreter gesagt: sie würde Ethan suchen und ihm den Ehering zurückgeben, der seit all den Jahren in ihrem Schmuckkasten lag. Und dann würde sie sich bei ihrem ehemaligen Ehemann entschuldigen … was sie schon vor zehn Jahren hätte tun sollen!
Sie fragte sich, was er wohl sagen und wie er reagieren würde, wenn sie Kontakt zu ihm aufnahm. Ungebetene Erinnerungen überfielen sie, zuerst schöne, dann bittere. Ihre Beziehung hatte wunderbar begonnen und war in einem Fiasko geendet.
Hoffe ich etwa, er könnte sich freuen, mich zu sehen? überlegte Claire. Nein, das wäre unglaublich naiv von ihr!
„Willkommen zu Hause, Miss Mayfield“, hörte sie jemanden rufen und blickte hoch.
An der Zollsperre stand Dolan, der Chauffeur ihres Vaters. Unwillkürlich musterte sie die umstehenden Menschen, aber natürlich war er allein dort. Wie dumm, zu glauben, ihre Eltern würden sie am Flughafen in Empfang nehmen! Die beiden hatten von Anfang an etwas dagegen gehabt, dass sie an der Radtour teilnahm, obwohl diese einem wohltätigen Zweck diente.
Diese Reise wäre unangebracht, hatte ihre Mutter gemeint, die feste Muskeln bei einer Frau unweiblich fand. Anscheinend hielt sie es für femininer, gertenschlank und kränklich zu sein, und hielt sich selbst an dieses Ideal.
Sumner Mayfield war zuerst von der Ausdauer seiner Tochter beeindruckt, die sich monatelang einem strengen Training unterworfen hatte, doch dann hatte er die ganze Mühe für sinnlos erklärt.
„Warum stellst du ihnen nicht einfach einen großzügigen Scheck aus, Kindchen?“, hatte er Claire gefragt.
In der Welt der Mayfields wurde alles Mögliche mit Schecks geregelt – sogar die Abschreckung idealistischer junger Männer, die nicht als Ehemann für die Tochter eines steinreichen Geschäftsmanns aus Chicago taugten.
Bisher hatte Claire sich immer lieber an den Rat ihrer Eltern gehalten, statt den Zorn ihres Vaters zu riskieren oder ihre Mutter zu kränken, die ständig an seltsamen Beschwerden litt. Als es um die Radtour ging, war sie allerdings eisern geblieben, obwohl sie, weiß Gott, genug eigenes Vermögen besaß, um mehr als nur ein karitatives Projekt finanziell zu unterstützen, ohne es zu spüren.
Trotzdem! Claire hatte den Menschen, die ihr keine Anstrengung zutrauten, etwas beweisen wollen … und zu denen zählte sie selbst ja auch.
Bisher war sie immer mit ihren Erfolgen durchaus zufrieden.
„Ich hoffe, Sie hatten eine ereignislose Reise“, meinte Dolan höflich und nahm ihr die Reisetasche ab, was durchaus zu seinen Aufgaben zählte.
Beinah hätte sie ihm das Gepäckstück, ohne nachzudenken, wieder weggenommen, da sie sich in den letzten Wochen daran gewöhnt hatte, selbstständig zu agieren.
„Wie man’s nimmt“, erwiderte Claire und dachte an die Kratzer, Beulen und Blasen, die sie sich unterwegs zugezogen hatte. Nein, einfach war die Tour nicht gewesen, und trotzdem lächelte sie, während sie zugleich leise seufzte.
Dolan verstand das anscheinend falsch. „Keine Sorge, Miss Claire, ich bring Sie in null Komma nichts nach Hause“, tröstete er sie. „Es herrscht momentan nicht viel Verkehr, also dauert es nicht lang, bis Sie in Ihrem Whirlpool sitzen und sich bei einem Drink entspannen können.“
Das wäre natürlich herrlich, aber sie schüttelte den Kopf. Aus der Handtasche zog sie eine Chicagoer Zeitung, die sie beim Zwischenstopp in Los Angeles besorgt und bereits durchgesehen hatte. Sogar mit diversen Maklern hatte sie bereits telefoniert und wollte die Besichtigungen nicht aufschieben.
„Ich muss vorher einige Stopps einlegen“, erklärte Claire und reichte Dolan die Zeitung.
Er zog die grauen Augenbrauen hoch, während er die umrandeten Annoncen studierte. „Sie wollen Apartments besichtigen, Miss Claire?“, fragte er dann, obwohl er damit seine Kompetenzen überschritt. Was nur bewies, wie verblüfft er war. „Wozu das denn?“
„Ich möchte in die Stadt ziehen“, erklärte sie.
Und diesmal würde es mehr bedeuten, als nur ihre Siebensachen von den Angestellten ihrer Eltern aus dem Haus ihrer Eltern in die Eigentumswohnung ihrer Eltern bringen zu lassen, die zudem nicht weit vom Wohnsitz ihrer Eltern in einem der noblen Vororte entfernt war!
So war es nämlich nach dem Scheitern ihrer Ehe mit Ethan abgelaufen, und im Rückblick musste Claire zugeben, dass es ein kläglicher Versuch gewesen war, Unabhängigkeit zu gewinnen. Kein Wunder, dass
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