Julia Extra Band 0293
heftigem Begehren durchzuckt, doch dieses Gefühl verdrängte sie schnell. Sie teilte Belle mit, dass sie Ethan umgehend anrufen wollte, woraufhin die Freundin zurückfragte, warum Claire ihn nicht besuchen wolle? Das müsse er ihr doch wert sein.
Er lebt jetzt in einem anderen Bundesstaat, Belle! Ungefähr sechs Stunden Fahrt mit dem Auto von hier. Da kann ich nicht einfach unangemeldet bei ihm aufkreuzen.
Trotz dieser vernünftigen Erklärung hatte Claire ein schlechtes Gewissen, musste aber lächeln, als Belle meinte, ob sie nicht mit dem Rad fahren wolle, es wäre doch eine nette Tagesetappe.
Daraufhin erklärte sie noch kurz, dass es für eine Radtour viel zu kalt sei, und verabschiedete sich schließlich von Belle, nachdem sie versprochen hatte, Ethan eines Tages zu besuchen und ihn auf jeden Fall anzurufen.
Leise seufzend schaltete Claire den Computer aus. Es war beinah zwei Uhr morgens, und sie brauchte ihren Schönheitsschlaf.
Ethans Lebensmotto war: Setz dir ein Ziel und erreich es, auch wenn es unmöglich scheint.
Diese Einstellung erklärte seinen Erfolg als Geschäftsmann, obwohl die Chancen für seine eher kleine und unabhängige Firma anfangs nicht zum Besten standen.
Ein Mann musste energisch sein und durfte das Risiko nicht scheuen. Ethan kannte keine Furcht vor dem Versagen. Jedenfalls was seinen Beruf betraf.
Privat sah es anders aus. Da hatte er seine Lektion gelernt, eine schmerzliche Lektion, dank einer wunderschönen jungen Frau …
Man durfte nicht jedes Risiko eingehen, weil Misserfolg der Preis war, den man zahlte, wenn man blind und dumm war!
Seine katastrophale Ehe mit Claire Mayfield hatte ihn vorsichtig gemacht, was Frauen betraf – seine Schwägerin nannte ihn sogar argwöhnisch.
Ganz besonders, wenn Liebe ins Spiel kam.
Okay, er ging ab und zu mit Frauen aus, aber er beließ es bei oberflächlichen Beziehungen. Zu mehr hatte er auch gar keine Zeit, denn seine Firma war sein Ein und Alles und beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit.
Im Vorjahr hatte er Rekordprofite erzielt, und nun war er darauf aus, zu expandieren. Vor allem wollte er ein neues, von ihm entwickeltes Sicherheitssystem produzieren, und dazu brauchte er Geld. Bisher hatte er mit möglichen Investoren nicht viel Glück gehabt, und sein Vermögensberater empfahl ihm, an die Börse zu gehen.
Das wäre sicher sinnvoll, aber Ethan hatte etwas dagegen, die Früchte seiner Arbeit mit Außenseitern zu teilen. Außerdem müsste er dann ständig über sein Geschäftsgebaren Rechenschaft ablegen, und er war nun mal selbstständig im besten Sinn des Wortes!
Seine Sekretärin Anita meldete sich über die Gegensprechanlage. „Anruf für Sie, Mr. Seaver!“
„Wer will mich denn jetzt schon sprechen?“, fragte Ethan erstaunt.
Es war erst kurz vor halb acht. Morgens war er immer am produktivsten, deshalb fing er gern früh mit der Arbeit an. Im Gegensatz zu seinen Kunden, die sich um diese Uhrzeit höchstens auf dem Golfplatz blicken ließen.
„Eine Claire Mayfield ist am Apparat.“
Ethan war stolz darauf, Nerven wie Drahtseile zu besitzen, aber als er diesen Namen hörte, wurde ihm so elend, als hätte man ihn in den Magen geboxt. Zum Glück war er allein in seinem Büro, so dass niemand seine Überraschung bemerkte.
Eine Flut von Erinnerungen überschwemmte ihn förmlich.
„Claire Mayfield?“, wiederholte Ethan schließlich möglichst beiläufig.
„Sie behauptet, Sie würden sie kennen, Mr. Seaver.“
So würde ich es nicht ausdrücken, dachte er bitter. Diese Frau hatte er nie wirklich gekannt!
„Hat sie gesagt, worum es geht?“, erkundigte er sich.
„Nein, nur dass es etwas Persönliches ist. Soll ich noch mal nachfragen?“
Nur das nicht, hätte er beinah gerufen. Er wollte sein Privatleben doch nicht vor seiner Sekretärin ausbreiten, auch wenn er wusste, wie diskret sie war. Damals hatte er nur die engsten Angehörigen von seiner Ehe informiert, und auch die nur ganz allgemein. Die Einzelheiten waren einfach zu peinlich!
„Nein, ich rede mit ihr“, sagte Ethan schließlich, ließ Claire aber noch eine Zeit lang in der Warteschleife.
Vielleicht brachte die langweilige Musik sie dazu, aufzulegen? Aber so viel Glück war ihm anscheinend nicht gegönnt. Diesmal verschwand sie nicht so einfach wieder.
Endlich hob er ab. „Hallo. Was kann ich für dich tun, Claire?“
Gut gemacht, lobte er sich im Stillen. Er klang genau richtig: beschäftigt, leicht ungeduldig, sogar ein bisschen
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