Julia Extra Band 0295
war nicht der einzige Grund, weshalb sie wie gerädert war. Auch ohne das Baby hätte sie wach gelegen und an Duncan gedacht, der nur ein Stück den Flur hinab schlief und dennoch unendlich fern war.
Sie hatte zu ihm gehen wollen. Sie musste sich unbedingt entschuldigen, weil sie an seiner Treue gezweifelt und ihn unfair beschuldigt hatte. So viel stand fest. Der Rest war ein bisschen heikler, weil sie auch über die Zukunft reden mussten, sonst kamen sie nicht weiter. Duncan hatte erklärt, dass er sie liebte. Aber er hatte Daniel nicht in seine Erklärung einbezogen.
Konnte er den Jungen lieben? Sie musste unbedingt sicher sein. Alles Weitere hing davon ab.
„Er muss es“, flüsterte sie, während Daniel seine morgendliche Flasche trank. „Er muss es unbedingt.“
Daniel protestierte, als sie die leere Flasche wegzog. Er hatte nur gut 100 g bekommen, mehr Milchpulver hatte sie nicht mehr gehabt. Trotz des schlechten Wetters ließ sich eine Fahrt zum Supermarkt nicht vermeiden. Sie hätte gestern einkaufen sollen. Aber nach Duncans Anruf war sie zu enttäuscht gewesen. Außer Milchpulver brauchte sie neue Windeln und Wischtücher für Daniel, und ihr Kühlschrank war leer, abgesehen von einem zerdrückten Stück Cheddarkäse, einem Bund angetrockneter Babykarotten und den üblichen Gewürzen.
Reese ließ Daniel ein Bäuerchen machen und zog sich und ihn für die Ausfahrt an. Sie setzte den Kleinen gerade in die Babyschale, als die Hintertür sich öffnete und Duncan durch die angeschlossene Garage das Haus betrat.
Seine Wangen glühten von der Kälte und der Anstrengung, und sein Haar war aufreizend zerzaust. Er trug nicht oft Bluejeans, aber heute hatte er welche an. Sie stehen ihm gut, stellte Reese fest. Er konnte einfach alles tragen. Ihr Inneres zog sich sinnlich zusammen bei der etwas zu lebhaften Erinnerung, wie sie sich gestern Abend gegenseitig die Kleider vom Leib gestreift hatten.
Einen Moment sahen sie sich argwöhnisch an. Dann sagte Reese: „Guten Morgen.“
„Morgen.“
„Es hat geschneit.“
„Ja, ungefähr fünfzehn Zentimeter. Du willst fort?“, fragte Duncan und stampfte das pulvrige Weiß von seinen Stiefeln.
„Ich muss unbedingt zum Lebensmittelladen.“
„Mit dem Baby?“ Die Frage war überflüssig, denn sie schnallte Daniel gerade in die Babyschale.
„Ja.“
Er runzelte die Stirn. „Die Straßen sind bestimmt noch nicht geräumt. Auf einigen Kreuzungen könnte es ziemlich glatt sein.“
„Ich werde langsam fahren und früh genug bremsen“, antwortete Reese und gähnte heftig.
Als sie wieder aufsah, runzelte Duncan immer noch die Stirn. „Bist du wach genug, um dich ans Steuer zu setzen?“
„Ja, mir geht es gut. Ich könnte einen Kaffee gebrauchen, aber wir haben keinen mehr da. Uns ist fast alles ausgegangen. Noch ein paar Windelwechsel, und Daniel muss mit nacktem Hintern daliegen.“ Sie zwang sich zu einem Lachen.
Duncan blieb ernst und betrachtete aufmerksam ihr Gesicht. „Reden wir endlich miteinander, oder tun wir weiter so, als wäre alles in Ordnung?“ Er zog seine Handschuhe aus und öffnete seine Jacke.
Reese schloss ihren Reißverschluss. „Wir werden darüber reden. Versprochen. Ich muss dir eine Menge sagen.“
„Aber?“
„Aber nicht jetzt. Ich muss dringend einkaufen. Daniel hat nur gut 100 g Milch bekommen, weil ich nicht mehr hatte. Er wird sich nicht lange damit zufriedengeben.“
„Dann reden wir, wenn du zurück bist?“
Sie nickte zögernd. „Wenn ich zurück bin.“
Duncan war eindeutig nicht glücklich über die Verschiebung. „Achte unbedingt auf die anderen Fahrer. Du weißt, wie dumm sich manche Leute anstellen, wenn die Straßen rutschig sind.“
„Ich werde vorsichtig fahren“, versprach sie und wurde selber ein bisschen nervös, weil sie Daniel mitnehmen wollte. „Außerdem sind es nicht einmal drei Meilen bis zum Laden“, machte sie sich Mut.
Sie hob die Babyschale auf und ging in Richtung Tür. Doch Duncan gab den Weg nicht frei. Stattdessen legte er die Finger auf den Griff der Schale.
„Warte wenigstens bis heute Nachmittag. Bis dahin dürfte der Winterdienst alle Straßen gereinigt haben.“
„Es ist richtig süß, wie du dir meinetwegen Sorgen machst“, flüsterte Reese.
„Ich mache mir euretwegen Sorgen“, verbesserte er sie.
Etwas in seiner Stimme ging ihr zu Herzen.„Weshalb kommst du dann nicht einfach mit?“
Sie war ebenso überrascht wie Duncan über ihren Vorschlag. Doch er zögerte
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