Julia Extra Band 0305
die Prinzessin nur die ungeheure Verantwortung, die ihre Geburt mit sich brachte, auf ihren schmalen Schultern tragen und dabei so jung und unberührt aussehen? Es war ihm ein Rätsel.
Bryce kniff die Augen zusammen und stellte sich vor, sie beide wären allein in diesem reizvollen Ambiente. Die exotischen Pflanzen bildeten einen fantastischen Rahmen für Giselles zarte Schönheit, und der betörende Duft der bunten Blüten beflügelte seine Fantasie.
Wie es sich wohl anfühlte, sie in den Armen zu halten und ihre weichen, süßen Lippen zu küssen? Ihre warmen, schlanken Arme um seinen …
„Da Amandas Vater offenbar entschlossen ist, uns Gesellschaft zu leisten, betrachten wir ihn doch als unser erstes Modell zum Zeichnen“, schlug Giselle ihren Schülerinnen pragmatisch vor und riss Bryce damit unsanft aus seinen erotischen Tagträumen.
Er sah, wie seine Tochter mit den Augen rollte, und war schwer versucht, dasselbe zu tun. Sich unauffällig im Hintergrund zu halten und zuzuschauen war eine Sache. Aber in den Mittelpunkt des Interesses einer ganzen Horde weiblicher Wesen, und speziell der Prinzessin, zu geraten, eine ganz andere!
Bryce setzte zu einer höflichen Ablehnung an, kam aber nicht weit.
„Nicht bewegen. Halten Sie Ihre Position“, wies Giselle ihn an und bannte ihn damit auf seinen Platz. Es war nicht der königliche Befehlston, der ihn erstarren ließ, sondern ihr offenkundiges Interesse an ihm.
Als Zeichenobjekt, nicht als Mann. Leider …
Während Bryce noch irritiert dieser seltsamen Empfindung nachspürte, haderte auch Giselle mit sich und ihrem spontanen Entschluss.
Eigentlich hatte sie geplant, die Mädchen als Erstes eine der wundervollen Orchideenblüten zeichnen zu lassen, sich dann aber spontan für Bryce als lohnendes Objekt entschieden.
„Versucht nicht, Amandas Vater möglichst realistisch zu porträtieren“, instruierte sie ihre Malklasse. „Zeichnet einfach, was ihr seht … einen lang gestreckten Körper, der an einer Wand lehnt. Das Hauptgewicht liegt auf einem Bein … das andere ist gebeugt, kreuzt das erste in Knöchelhöhe … die Arme sind vor der Brust verschränkt.“
Während sie sprach, führte sie ihre Hand mit dem Kohlestift in großzügigen Schwüngen über das angewinkelte Skizzenbrett auf ihrem Schoß. Zu gern hätte Bryce gespickt, um zu erfahren, wie die Prinzessin ihn sah … natürlich nur aus der Perspektive als Künstlerin.
Hätte er geahnt, dass sie in erster Linie damit beschäftigt war, ihren jagenden Puls auch nur einigermaßen unter Kontrolle zu bekommen, wäre er sicher viel entspannter gewesen.
Giselle hatte nicht damit gerechnet, Bryce hier wiederzusehen. Während sie Strich neben Strich setzte, kam ihr der Rat ihrer alten Zeichenlehrerin in den Sinn: Erzähle mir nichts von deinen Gefühlen, banne sie einfach aufs Papier. Damals war ihr das als ungerechte Kritik an einer Skizze erschienen, die nach ihrer Meinung sehr gut gelungen war. Doch um ihrem Ärger nicht laut Ausdruck zu geben, hatte sie ihre ganze Wut in die Malerei gelegt und damit tatsächlich eines ihrer besten Bilder erschaffen.
Während sie jetzt auf ihre Skizze von Bryce schaute, schlug ihr Herz bis zum Hals. Auch hier hatte sie ihre Gefühle in die Zeichnung einfließen lassen. Von professionellem Abstand oder Objektivität gegenüber ihrem Modell war absolut keine Rede. Als Giselle hochschaute und seinem Blick begegnete, stockte ihr Atem, und sie spürte verräterische Röte in ihre Wangen steigen.
Einen Mann wie Bryce Laws konnte man entweder hassen oder lieben. Objektivität war wirklich das Letzte, was ihr im Zusammenhang mit Amandas Vater in den Sinn kam …
6. KAPITEL
Während der livrierte Diener sie nach der Zeichenstunde wieder zu ihrem Wagen geleitete, betrachtete Bryce zufrieden die leuchtenden Augen und das versteckte Lächeln auf dem sanft geröteten Gesicht seiner Tochter.
Wie hatte die Prinzessin nur so exakt erraten können, was dem Mädchen fehlte?
Die zusammengerollte Zeichnung unter ihrem Arm war der Beweis für den Erfolg von Giselles grandioser Idee. Nachdem es Amanda gelungen war, den Frust über den Vorschlag der Prinzessin zu überwinden, ausgerechnet ihren Vater als Modell zu wählen, brachte sie ein erstaunlich authentisches Bild von ihm zustande.
„Du hast heute ziemlichen Spaß gehabt, oder?“
Falsche Frage, wie Bryce angesichts der sich verdüsternden Miene seiner Tochter feststellen konnte. Warum hatte er nicht einfach seinen Mund
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