Julia Extra Band 0305
rechtfertigte sie sich automatisch und machte sich erst nachträglich klar, wer hier überhaupt das Sagen hatte. „Andererseits gehört der Tierpark zu meinem Aufgabenbereich, und ich bin nicht verpflichtet, Ihnen jede meiner Entscheidungen diesbezüglich mitzuteilen.“
Bryce stemmte sich mit beiden Handflächen auf ihrem Schreibtisch ab und kam Giselle damit viel näher, als es ihrem Seelenfrieden zuträglich war.
„Das mag schon sein, Prinzessin. Allerdings hat mir Prinz Maxim zugesichert, dass ich absolute Freiheit genießen würde, was meinen Wirkungsbereich betrifft. Weniger hätte ich auch nicht akzeptiert.“
Das glaube ich sofort, dachte Giselle, sprach es aber nicht laut aus. Ihre Handflächen waren plötzlich ganz feucht, und es bereitete ihr ziemliche Mühe, normal zu atmen. „Max meinte sicherlich, was den reinen Tierbestand betrifft. Das Areal selbst, auf dem sich das Wildgehege befindet, gehört zum Château Merrisand und unterliegt damit der königlichen Gerichtsbarkeit.“
In Bryces dunkelblauen Augen blitzte es gefährlich auf. „Dann suchen Sie sich am besten gleich einen neuen Wildhüter!“
Giselle sprang erregt von ihrem Stuhl auf. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals, aber sie wollte diesem Mann auf gleicher Augenhöhe begegnen. Als Bryce sich langsam aufrichtete, wurde ihr klar, wie lächerlich dieses Ansinnen war. Trotzdem blieb sie stehen und wich seinem Blick nicht aus.
„Darf ich Sie daran erinnern, dass Sie einen Vertrag unterzeichnet haben, Mr. Laws?“
Er lachte hart auf. „Das bringt Ihnen bloß nichts, da offensichtlich weder Ihr Bruder noch Sie selbst bemerkt haben, dass jener Vertrag gar nicht von mir unterschrieben wurde.“
Ein derartig wichtiges Detail nicht bemerkt zu haben sah ihr so wenig ähnlich, dass Giselles Hände automatisch zu zittern begannen. Frustriert presste sie die Handflächen gegeneinander. „Wie nachlässig von Ihnen …“, murmelte sie.
„Wie nachlässig von Ihnen und Ihrem Bruder“, korrigierte er sarkastisch.
„Auch ein mündlicher Vertrag ist bindend“, erinnerte Giselle ihn förmlich.
Blitzschnell kam Bryce um den Schreibtisch herum und baute sich dicht vor ihr auf. Wenn sie ihm jetzt in die Augen schauen wollte, war Giselle gezwungen, den Kopf in den Nacken zu legen. „Wie wollen Sie versuchen, mich daran zu binden, Prinzessin?“
Giselle schluckte trocken. „Sie würden nicht so einfach gehen.“
„Wetten wir?“
Das wagte sie nicht. Stattdessen versuchte sie es mit einer anderen Taktik. „Warum regt Sie der harmlose Besuch einer Film-Crew überhaupt derart auf?“
„Wenn Sie das wirklich fragen müssen, haben Sie nicht den leisesten Schimmer von Wildtierhege. Die tragenden Hirschkühe brauchen so viel Ruhe wie nur möglich, da sonst Fehlgeburten drohen. Nicht einmal ich betrete während der kritischen Zeit die Gehege, während die Freunde Ihres Verlobten überall auf dem Gelände herumstreunen, ungeachtet des Schadens, den sie damit anrichten.“
„Robert ist nicht mein Verlobter.“
„Na, dann eben zukünftiger Bräutigam! Ist doch auch egal!“
„Mir nicht“, beharrte Giselle steif. „Wir haben unsere Beziehung beendet.“
Hätte sie nicht in diesem Moment die Augen niedergeschlagen, wäre ihr das kurze Flackern in Bryces Blick nicht entgangen.
„Aha … wahrscheinlich fühlen Sie sich jetzt deswegen so schuldig, dass Sie ihm quasi als Trost gestatten, mein Wildgehege zu verwüsten“, brummte er.
Giselle wagte nicht aufzuschauen. Wie konnte er das wissen? Nicht einmal sich selbst gegenüber hatte sie es in dieser Klarheit eingestanden. „Warum müssen Sie eigentlich aus jeder Mücke gleich einen Elefanten machen?“, fuhr sie ihn gereizt an.
Bryce schwieg einen Moment, überrascht von ihrer heftigen Reaktion. „Scheint mir langsam zur Gewohnheit zu werden“, stellte er mehr für sich fest. „Zumindest, wenn es mit Ihnen zusammenhängt.“
Giselle warf ihm einen irritierten Blick zu und schaute gleich wieder zu Boden. „Tut mir leid, aber ich habe noch weitere Termine“, murmelte sie heiser und hoffte, ihre Enttäuschung nicht allzu sehr durchklingen zu lassen.
Bryce betrachtete ihre gesenkten Wimpern, die verführerisch gebogen auf den hohen Wangenknochen ruhten, und schluckte heftig. Wie unter Hypnose streckte er die Hand aus und fuhr mit dem Finger die weichen Konturen ihrer bebenden Lippen nach.
Nur einen Kuss …, dachte er voller Sehnsucht. Dann würde er gehen. Er war noch nie der Typ gewesen,
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