Julia Extra Band 0305
ihrem wachen Geist …
Glücklicherweise forderte Amanda seine Aufmerksamkeit, ehe er sich noch weiter selbst betrügen konnte.
„Hoffentlich sitzen wir nicht in irgendeinem stickigen Raum und müssen altes Obst malen.“
Bryce zog seine Lederjacke aus und warf sie sich lässig über die Schulter. „Und wenn, dann erinnere dich an deine Manieren, und behandle die Prinzessin trotzdem mit dem ihr gebührenden Respekt“, wies er seine Tochter an, die daraufhin die Augen verdrehte.
„Ich dachte, das Ganze sollte Spaß bringen …“
„Das wird es auch“, versicherte Bryce, während um seinen herben Mund ein schwaches Lächeln spielte. „Da bin ich mir ganz sicher.“
Zehn Minuten später fanden sie sich in einem großzügigen, von hellem Licht durchfluteten Raum voller Grünpflanzen wieder, in den einer der livrierten Diener sie geleitet hatte. Das Ganze wirkte wie eine Mischung aus Gewächshaus und Atelier. Auf frei stehenden Zeichentischen lagen Skizzenblöcke, Pinsel und Farben bereit.
Kurz nach ihnen traten drei schnatternde Teenager ein, die sofort verstummten, als sie bemerkten, dass sie nicht allein waren. Als Bryce sah, wie die Mädchen bewusst Amandas Blick mieden, zog sich sein Herz vor Mitleid für seine Tochter zusammen.
„Hallo“, grüßte er resolut und streckte den Neuankömmlingen lächelnd die Hand entgegen. „Ich bin Bryce Laws, Amandas Vater. Wir sind einander noch nicht vorgestellt worden, glaube ich.“
„Tara Lehua … Lady Tara Lehua“, informierte ihn die erste Schülerin etwas affektiert und reichte ihm die Fingerspitzen.
In Gedanken strich Bryce sie gleich von der Liste möglicher Freundinnen seiner Tochter, nickte aber. Das zweite Mädchen erwiderte wenigstens sein Lächeln.
„Ich bin Alexie Mondrian. Meine Mutter arbeitet in der Presseabteilung des Châteaus.“ Ihre Stimme wurde gegen Ende immer leiser.
Schüchternheit, kein Snobismus, entschied Bryce für sich. Ganz anders als Lady Lehua.
„Und ich bin Mary Jo Dawny aus San Francisco“, erklärte die Dritte im Bunde. „Aber jetzt lebe ich hier im Château Merrisand, weil mein Vater vor sechs Monaten in die königliche Leibgarde eingetreten ist.“
Also auch ein relativer Neuankömmling, Gott sei Dank! Möglicherweise würde diese Parallele die beiden Mädchen zusammenführen? „Vielleicht kannst du Amanda ja ein wenig dabei helfen, sich in den Kurs einzuleben“, schlug Bryce vor. Im gleichen Moment hörte er in seinem Rücken das unterdrückte Stöhnen seiner entsetzten Tochter.
Egal. Solange sich ihm auch nur die geringste Chance bot, wollte er verhindern, dass Amanda eine Außenseiterin blieb.
„Sicher“, ging Mary Jo bereitwillig auf seinen Vorschlag ein. „Du kannst dich neben mich setzen, Amanda. Aber ich weiß selbst noch nicht, wie das hier ablaufen wird. Die Zeichengruppe trifft sich nämlich heute zum ersten Mal. Wir haben es von unserer Kunstlehrerin erfahren. Und wie bist du dazu gekommen?“, wandte sie sich an Amanda.
„Mich hat die Prinzessin persönlich eingeladen.“
Das beeindruckte offensichtlich nicht nur Mary Jo, sondern auch die beiden anderen. Besonders Lady Lehua blieb vor Staunen der Mund offen stehen.
„Dann musst du richtig gut sein“, mutmaßte Mary Jo. „Vielleicht kannst du mir ja noch etwas beim Zeichnen beibringen.“
Als die beiden Mädchen die Köpfe zusammensteckten, zog Bryce sich erleichtert in den Hintergrund zurück und nahm lässig auf einer Tischkante Platz. Während er noch darüber nachdachte, ob er nicht ganz von hier verschwinden sollte, anstatt unsinnig herumzulungern, wurde ihm die Entscheidung aus der Hand genommen.
Prinzessin Giselle trat ein, und augenblicklich erhoben sich die Mädchen von ihren Stühlen. Automatisch tat Bryce es ihnen nach. Giselle nickte, ließ ihren Blick kurz über alle Anwesenden schweifen und gab dann das Zeichen zum Hinsetzen, was die ganze Truppe brav befolgte.
In ihren engen schwarzen Jeans zur weißen Leinenbluse, das goldblonde Haar zum Pferdeschwanz hochgebunden und ein großes Zeichenbrett unter den Arm geklemmt, wirkte sie unglaublich jung und dynamisch. Und plötzlich wünschte Bryce sich verzweifelt, er hätte auch nur einen Anflug vom Maltalent seiner Tochter. Wie gern hätte er dieses Bild mit flotten, gekonnten Strichen für die Ewigkeit auf eine Leinwand gebannt.
Während sie den Mädchen erklärte, wie der Malunterricht ablaufen sollte, betrachtete Bryce versonnen Giselles lebhaftes Mienenspiel. Wie konnte
Weitere Kostenlose Bücher