Julia Extra Band 0309
und funkeln, bis er plötzlich nicht mehr wusste, was sie bedeuten sollten.
Er wusste nur, dass er heute Morgen, als er auf den Parkplatz des Botanischen Gartens gefahren war, auf der Suche nach der Wahrheit war. Und er hatte sie gefunden.
Vielleicht würde er es bedauern, vielleicht war es der falsche Zeitpunkt, aber mit der Stimme dieser Sirene im Kopf, die ihn aufforderte, nicht so hart zu sich selbst zu sein, sich seine Fehler einzugestehen, zu beichten …, platzten die Worte einfach aus ihm heraus.
„Was würdest du sagen, wenn ich dir erzähle, dass ich seit heute Morgen sicher bin, dass mein Vater schwer krank ist und ich noch mit niemandem darüber geredet habe?“
5. KAPITEL
Sobald Cameron die Worte ausgesprochen hatte, hätte er sie am liebsten zurückgenommen.
„Erzähl mir von deinem Vater“, sagte Rosie.
Er fuhr sich hastig mit der Hand durch das Haar und räusperte sich. „Eigentlich wäre es mir lieber, wir würden über etwas anderes reden. Magst du Football?“
„Nicht so sehr.“
Er biss die Zähne zusammen. Diese Frau war noch dickköpfiger als er selbst.
„Hör zu, Cameron. Ich bin nicht völlig abgehoben. Ich weiß, wer du bist. Ich verstehe, dass es für dich nicht leicht ist zu wissen, wem du vertrauen kannst. Doch mir kannst du vertrauen. Was du mir erzählst, bleibt unter uns. Das verspreche ich.“
Ihre Blicke begegneten sich, und sie lächelte aufmunternd. Er konnte weder mit seiner Familie reden, noch mit seinen Freunden oder Kollegen. Und ausgerechnet die Person, die ihn von seinen Problemen ablenken sollte, wollte ihm nun helfen, sich ihnen zu stellen. Er fuhr sich mit der Hand über die Augen. „Er war heute Morgen im Fernsehen, redete über Ölpreise, den australischen Dollar, die Immobilienkrise und dergleichen. Er flirtete mit der Moderatorin und nahm so viel Zeit in Anspruch, dass die Wetterfee gerade noch die Tagestemperaturen schaffte. Eigentlich nichts Ungewöhnliches. Doch zum ersten Mal in meinem Leben kam er mir … klein vor.“
„Klein?“
„Jetzt kommt es mir auch albern vor. Sag mal, können wir nicht über etwas anderes reden?“
„Wenn du dir Sorgen um deinen Vater machst, ist das nicht lächerlich, es ist menschlich.
Es macht dich sympathisch.“ „Es macht mich sympathisch, dass ich mir Sorgen mache?“, fragte er.
„Es macht dich sympathisch, dass du dir erlaubst, menschlich zu sein.“
Cameron rieb sich das Kinn, während er die außergewöhnliche Frau an seiner Seite studierte. Er fragte sich, wie er es verdient hatte, dass ihn das Schicksal ausgerechnet an diesem Morgen zu ihr geführt hatte.
Sie blickte auf ihr schmelzendes Eis. „Macht sich deine Familie Sorgen?“
„Ich bin ziemlich sicher, dass sie keine Ahnung haben.“ Sonst hätten sie ihn längst angerufen.
„Und dein Vater? Hast du ihn darauf angesprochen?“
Cameron schnaubte durch die Nase. Wer A sagt, muss auch B sagen … „Das ist nicht so leicht, wenn man bedenkt, dass wir seit fünfzehn Jahren nicht mehr miteinander geredet haben.“
Sie bearbeitete ihre Unterlippe mit den Zähnen. Seine körperliche Reaktion darauf war allzu menschlich.
Endlich fragte sie: „Absichtlich?“
Langsam nickte er.
„Wie komme ich dann auf die Idee, dass du für ihn arbeitest?“
„Brendan arbeitet für ihn. Und Dylan. Ich habe nie für ihn gearbeitet.“ Und werde es auch nie tun.
„Aber du hattest es vor, nicht wahr? Ein Diplom in Wirtschaftswissenschaften, dann die Harvard Business School? Ich gestehe, dass ich in der Mensa einmal mitbekommen habe, wie du Callum Tucker davon erzählt hast. Ich kann mich natürlich nur deshalb daran erinnern, weil er sagte, er wolle Roadie für eine Rockband werden.“
Ihr Lächeln war ansteckend. „Callum ist Kieferorthopäde geworden, und ich war nicht an der Business School. Ich bin Statiker und habe mich auf Grundstücksentwicklung spezialisiert.“
„Was genau macht ein Statiker?“
„Ich warne dich, die meisten Leute sind schnell gelangweilt, wenn ich anfange, über Tragwerke, Lateralkräfte und Last- und Tragfähigkeiten zu reden.“
„Als würde es die Leute nicht langweilen, wenn ich mich für die chemische Zusammensetzung von Himmelskörpern ereifere.“
„Entschuldigung“, sagte er nach einer Pause. „Hast du etwas gesagt?“
Sie hob eine Hand und schlug ihm kräftig auf den Arm. „Das war nicht lustig.“
„Ach komm, ein bisschen lustig war es schon.“
„Warum bist du nicht einfach Statiker
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