Julia Extra Band 0309
geblieben?“
„Weil mein Ego zu groß ist. Ironischerweise hätte ich doppelt so schnell schwarze Zahlen geschrieben, wenn ich die Business School besucht hätte.“
„Ach was“, sagte sie und strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Man kann im Leben nicht alles vorausplanen. Du solltest stolz auf das sein, was du erreicht hast.“
Cameron ließ den Gedanken sacken. Er plante alles minutiös, verlangte von sich selbst wie von jedem einzelnen Mitarbeiter Kontrolle, Kompetenz und Perfektion. Andererseits hatte er sich als Siebzehnjähriger von der Welt, die er kannte, verabschiedet. Hätte er das nicht getan, wäre er heute nicht der Selfmademan, der er war.
Er nickte. „Ich bin verdammt stolz auf das, was ich erreicht habe.
„Na also.“
Ihr Lächeln umhüllte ihn wie eine warme Decke. Zum ersten Mal seit heute Morgen hatte Cameron das Gefühl, dass alles gut wurde.
„Bist du fertig?“, fragte er, auf ihr schmelzendes Eis deutend.
„Bist du denn fertig?“
„Hundertprozentig. Ich habe dich heute Abend übrigens nicht zu einer Therapiesitzung eingeladen.“
„Und warum hast du mich noch mal eingeladen?“, fragte sie kokett.
„Ich habe gleich gesehen, dass du die guten Dinge im Leben zu schätzen weißt.“
„Du meinst, Quesadillas und Eiscreme?“
„O ja.“
Sie warf ihren leeren Becher in den Mülleimer, drückte die Hände in den Rücken und streckte sich. „Erst nennst du mich einen Freak. Jetzt auch noch durchschaubar. Du weißt wirklich, wie man Komplimente macht.“
„Warte es ab“, sagte er mit rauer Stimme. „Die Nacht ist noch jung.“
Sie hörte auf, sich zu strecken, und sah ihm in die Augen.
„Wie wäre es mit einem kleinen Spaziergang?“ Er streckte die Hand aus.
Sie starrte die Hand an. Dann wischte sie sich die Hände an der Jeans ab, und nach kurzem Zögern legte sie ihre Hand in seine.
Während Rosie an Camerons Seite am Südufer entlangspazierte, ging ihr die Geschichte mit seinem Vater nicht aus dem Kopf. Einerseits fühlte sie sich geschmeichelt, dass er sich ihr anvertraut hatte, andererseits durfte sie auf keinen Fall vergessen, wer sie war, und vor allem, wer er war. Auch wenn er früh aus dem Nest geflohen war, blieb er ein Kelly. Er nahm seine Privilegien als selbstverständlich hin, während sie wusste, was es hieß zu kämpfen, über die eigenen Füße, die eigenen Worte zu stolpern und sich selbst in einem Raum voller Menschen allein zu fühlen. Sie passten einfach nicht zusammen.
Sie schlenderten den verschlungenen Pfad entlang. Das Mondlicht fiel durch die Bougainvillea, die den Bogengang umrankte. Eine Gruppe spätabendlicher Radfahrer sauste vorbei, und Cameron legte schützend einen Arm um sie.
Um den gegebenen Abstand zwischen ihnen wiederherzustellen, fragte sie: „Wie ist es so, ein Kelly zu sein?“
„Wie stellst du es dir denn vor?“
„Keine Ahnung. Im Dunkeln durch die Wohnung stolpern, weil der Strom abgestellt wurde … Nein, warte – so ist es ja, eine Harper zu sein.“
Er verlangsamte den Schritt, bis er ganz zum Stehen kam. „Na gut. Lass uns nicht länger um den heißen Brei reden.“
Rosie trat von einem Fuß auf den anderen und fragte sich, in welches Wespennest sie nun wieder gestochen hatte. „Inwiefern?“
„Wenn du in deiner Jugend so benachteiligt warst, während mir alle Türen offen standen, wie kommt es dann, dass du schneller rechnen kannst als ich?“
Sie warf den Kopf zurück und lachte schallend. „Sei nicht so streng mit dir selbst.“
Sein Mund verzog sich zu einem Lächeln, das die Eiskruste auf einem Jupitermond zum Schmelzen gebracht hätte.
„Wie gerät jemand mit so einem losen Mundwerk wie du an ein so trockenes Thema wie Astrophysik?“, fragte er.
Rosie verschränkte die Hände hinter dem Rücken. „Früher habe ich mir bei jedem Stern, den ich entdeckt habe, etwas gewünscht. Als wir an meinem achten Geburtstag dann doch keinen Ausflug ins Disneyland machten, habe ich sie aufgegeben.“
„Die Sterne?“
„Die Wünsche. Die Sterne konnte ich nicht so leicht aufgeben.
Während du dich im Planetarium bei den animierten Wurmlöchern in deinem Sitz verkrochen hast und gebibbert hast wie ein kleines Mädchen, habe ich aufgepasst. Ich habe etwas über die Venus gelernt. Dass sie immer allein erscheint, unabhängig von den anderen Planeten, und nur zu den schönsten Tageszeiten, zum Sonnenuntergang und zum Sonnenaufgang. Eines Nachmittags saß ich im Küchenfenster unseres Wohnblocks und
Weitere Kostenlose Bücher