Julia Extra Band 0309
Stirn auf den Tisch sinken und die Arme über den Rand hängen. Cameron lachte und gab dann einer Kellnerin ein Zeichen, dass sie zahlen wollten.
Fast gleichzeitig zückten Cameron und Rosalind ihre Börsen. Er legte seine Hand auf ihre. „Leg das weg.“
Sie befreite ihre Hand und beeilte sich, in den Fächern nach Bargeld zu suchen. „Das übernehme ich.“
„Rosalind, hör auf damit und sieh mich an. Ich habe dich heute Abend eingeladen, also zahle ich auch. Lass mich den Gentleman spielen“, beharrte er. „Ich habe nicht oft die Gelegenheit dazu. Bitte!“
Es war das Bitte, das sie erweichte. „Na gut. Danke!“
Er legte das Geld auf den Tisch.
Ihre Miene hellte sich auf. „Aber ich übernehme das Trinkgeld!“
„Zu spät. Ich habe bereits fünfzehn Prozent draufgeschlagen.“
„Warum nicht zwanzig?“
„Fünfzehn sind üblich.“
„Für das unterbezahlte Küchenpersonal, das in diesem Moment unser schmutziges Geschirr wäscht, entscheiden Trinkgelder darüber, ob es diese Woche seine Miete zahlen kann.“
Cameron blinzelte. Unverblümt, dickköpfig und eigensinnig. Er versuchte diese Eigenschaften mit dem kecken Mädchen in Einklang zu bringen, dem er im Planetarium begegnet war – und konnte es nicht.
Was machte das schon? Sie gefiel ihm trotzdem.
„Dann beläuft sich das Trinkgeld also auf …?“
„Vierzehn neunzig“, erklärte Rosalind, und war ihm damit den Bruchteil einer Sekunde voraus. Sie warf einen Zwanzigdollarschein auf den Tisch, ehe er überhaupt dazu kam, es zu versuchen, und lächelte ihn verschmitzt an. „Erster.“
„Freak“, sagte er so leise, dass nur sie es hören konnte.
Lächelnd steckte sie ihre Börse wieder ein und beugte sich zu ihm vor: „Lass uns gehen, bevor Tabitha zurückkommt.“
„Exzellenter Plan!“
Cameron deutete auf einen großen roten Plastikstuhl auf dem Platz vor der Eisdiele „Bacio Bacio“ am Südufer.
Rosalind setzte sich hin, die Knie zusammengepresst, die Knöchel weit auseinander und leckte Zimt-Haselnuss-Eiscreme von der Rückseite des Löffels.
Als der volle Geschmack des Vanilleeis auf seiner Zunge schmolz, atmete Cameron tief aus und starrte über den Fluss auf seine Stadt. Sein Blick strich über die drei Wolkenkratzer, die er gebaut hatte, die beiden anderen, die ihm jetzt gehörten, und über die Lücken, die bald mit weiteren Monolithen gefüllt würden, die er in Planung hatte.
„Ein toller Blick, findest du nicht?“, fragte er voller Stolz.
Rosalind spähte in den Himmel.
„Versuch’s mal neunzig Grad weiter unten“, schlug Cameron vor.
„Oh.“ Sie neigte das Kinn und betrachtete naserümpfend die roten und weißen Lichter hunderter Autos, die leise über den Riverside Expressway dahinglitten. „Habe ich etwas verpasst?“
Er zeigte auf die Milliarden schimmernder Glasscheiben, die die unregelmäßig angeordneten Gebäude bedeckten. „Nur den überwältigendsten Anblick der Welt.“
Nachdenklich betrachtete sie die Skyline und klopfte nonchalant mit dem Löffel an ihren Mund. „Ich sehe kleine Kästen in großen Kästen. Keine Luft. Kein Licht. Keinen Charme.“
Cameron rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. „Ich baue diese großen Kästen. Wolkenkratzer sind mein Geschäft.“
„Tut mir leid.“
„Entschuldigung angenommen.“
„Obwohl …“
„Ja?“
„Die Stadt ist begrenzt. Eines Tages wird jemand wie du kommen und dein Gebäude abreißen, um ein noch größeres zu bauen. Ist das nicht Verschwendung?“
Er lachte aus vollem Herzen in die sanfte dunkle Stille. „Du nimmst kein Blatt vor den Mund, nicht wahr?
Ihr Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. „Als Kind war das meine einzige Chance, Aufmerksamkeit zu bekommen.“
„Verstehe. Große Familie?“
„Wie deine, meinst du? Nein. Meine Mutter und ich sind nicht in den Skiurlaub gefahren, und wir haben auch nicht gemeinsam die Lichter vom Weihnachtsbaum im Rathaus angezündet. Meine Mum hat gekellnert und für andere geputzt und gebügelt, und ich kann mich nicht erinnern, dass wir öfter als fünfmal gemeinsam zu Abend gegessen haben.“
Sie suchte seinen Blick, und in ihren Augen spiegelten sich die silbernen Wellen des Flusses. Sie wollte kein Mitleid. Rosalind Harper war nur offen, wie es ihre Art war.
Er dagegen war der misstrauischste Mann der Welt. Da er früh gezwungen gewesen war, Geheimnisse zu bewahren, spielte er immer mit verdeckten Karten. Er beschäftigte sogar drei Buchhalter, damit keiner den
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