Julia Extra Band 0309
Augen, die höchstens dreißig Zentimeter von ihren entfernt waren. Seine kompromisslosen blauen Augen.
Küss mich , dachte sie sehnsüchtig.
Nein, küss mich lieber nicht.
Er beugte sich zu ihr.
Mein Gott, ja, bitte küss mich!
Sein warmer Atem streifte ihr Ohr, als er seine festen Lippen auf ihre Wange drückte. Seufzend schloss sie die Augen, um den Moment voll auszukosten.
Als er sich von ihr löste, schwankte sie. Sie wich zurück und brachte die Tür zwischen sich und ihn.
Wie aus einer Trance erwacht, knurrte Cameron: „Bis morgen.“
„Es ist morgen.“
Sein Blick hellte sich etwas auf. „So ist es.“
„Zeit, dass ich in mein schönes, warmes Bett gehe.“
Sein Lächeln war so breit, dass sie seine scharfen Eckzähne sehen konnte.
„Und du in deins“, fügte sie hinzu.
Sie glitt auf den Fahrersitz und ließ den Motor an, während er die Tür für sie schloss. Sie verschwand in die Nacht, erstaunt, dass sie noch wusste, welches das Gaspedal war.
Als Rosie am nächsten Abend bei der Adresse in der Innenstadt ankam, die Cameron ihr genannt hatte, war sie ratlos. Der ganze Block war zwei Stockwerke hoch mit grauen Spanplatten verkleidet. Sie stampfte mit den Sohlen ihrer kniehohen Stiefel auf den Boden, um sich aufzuwärmen, und wünschte, sie hätte eine Strickjacke über das wallende lila Kleid mit dem Paisleymuster gezogen.
Suchend blickte sie die Straße auf und ab. Eine Gruppe fröhlicher junger Mädchen, noch leichter bekleidet als sie selbst, überquerte untergehakt die Straße. Ihre Stimmen verklangen, und sie war wieder allein.
Allein mit ihrem gesprächigen Unterbewusstsein.
War er bei der Arbeit aufgehalten worden? War ihm etwas zugestoßen? Oder versetzte er sie einfach?
Als sie gerade wieder gehen wollte, öffnete sich eine versteckte Tür in der Mauer aus Grau. Ein Umriss erschien in dem Spalt, ein Umriss mit sexy zerzaustem Haar, breiten Schultern und hochgekrempelten Ärmeln über muskulösen Unterarmen.
Cameron. Trotz der Dunkelheit erkannte sie ihn sofort.
„Ich bin zu spät. Schon wieder“, sagte sie mit rauer Stimme.
Er öffnete die Tür in der Wand ein Stück weiter. „Du kommst genau richtig.“
Sie schüttelte den Kopf und eilte zu ihm. „Wo sind wir?“
„Wir sind noch nicht da.“
Cameron verschloss die Tür mit einem riesigen Vorhängeschloss, dann reichte er ihr einen großen, schweren, orangefarbenen Arbeitshelm.
„Soll das ein Witz sein?“, fragte sie.
„Setz ihn auf, sonst gehen wir nicht weiter.“
„Davon bekommt man Helmhaar.“
„Solange wir hier sind, nimmst du das Ding nicht ab.“
„Mann, bist du streng. Versuch’s mal mit ein bisschen Charme.“
„Na gut“, sagte er und setzte seinen eigenen Helm auf. „ Bitte , Rosalind, setz den Helm auf, sonst fällt dir irgendetwas auf den Kopf, und du bist tot, und mir bleibt nichts anderes übrig, als deine Leiche zu verstecken.“
Sie zog eine Grimasse. „Du hast Glück, dass Orange meine Lieblingsfarbe ist.“
Er beugte sich zu ihr, um den Helm zurechtzurücken, dann sah er ihr in die Augen. „Bleib nah bei mir, dann passiert dir nichts.“
Sagte der Skorpion zur Schildkröte.
Sie liefen über Planen, vorbei an Backsteinhaufen und Stahlträgern, bis sie zu einem Fahrstuhl gelangten, der hinter einem schweren silbernen Plastikvorhang versteckt war.
Rosie sagte: „Ich komme mir vor wie die Heldin in einem schlechten Film, in dem das Publikum ruft: ‚Geh da nicht rein!‘“
„Steig ein. Vertrau mir!“
Sie sah ihn an, das einladende Lächeln, die dunkelblauen Augen, der verlockende Rest. Ihm vertrauen? Im Moment vertraute sie nicht einmal sich selbst.
Als der Fahrstuhl am Ende der Fahrt hielt, schrak Rosie zusammen. Sie spürte Camerons Atem an ihrem Nacken, noch ehe er etwas sagte. „Jetzt sind wir da.“
„Wo genau?“
„Auf dem CK Square.“
Die Fahrstuhltür öffnete sich, und bei dem Anblick, der sich ihr bot, blieb sie wie angewurzelt stehen. „Ach du meine Güte“, hauchte Rosie.
Sie befanden sich im obersten Stockwerk des Gebäudes beziehungsweise dort, wo sich irgendwann das oberste Stockwerk befinden würde. Das Gerüst war fertig, doch außer Stahlträgern, die kreuz und quer durch die Luft verliefen wie ein riesiges Spinnennetz, befand sich zwischen ihnen und dem Universum nichts als samtschwarzer Himmel.
Cameron geleitete sie nach links, und da sah sie den charmanten schmiedeeisernen Tisch, der für zwei gedeckt war, und die Kerzen die auf jeder
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